Neurobiologie

Wie fühlt es sich an, unsichtbar zu sein?

Experiment mit VR-Brille verändert das Körpergefühl und die Reaktionen

Die Kombination aus VR-Brille, Kameras und bstimmten Berührungen erzeugt die Illusion, unscihtbar zu sein. © Staffan Larsson

Effektive Täuschung: Wenn uns unsere Augen vorgaukeln, unsichtbar zu sein, dann hat dies überraschend weitreichende Folgen: Unser Körpergefühl verändert sich und auch unsere unwillkürliche Reaktion auf soziale Situationen. Das belegt nun erstmals ein Experiment, in dem Forscher eine VR-Brille und raffinierte Manipulationen nutzten, um ihren Probanden das Gefühl zu geben, unsichtbar zu sein.

Die Idee, sich unsichtbar zu machen, fasziniert Menschen schon seit langem. Sie taucht schon beim griechischen Philosophen Plato auf und im Roman „Der unsichtbare Mann “ von H.G. Wells. Auch wenn es noch keine Tarnkappen oder Tarnumhänge für Menschen gibt – zumindest Objekte kann man inzwischen schon unsichtbar machen. Die Spannbreite reicht hier von Beschichtungen mit speziellen Metamaterialien über simple Linsenanordnungen bis zu bestimmten Formen.

VR-Brille als Pseudo-Tarnkappe

Aber was wäre, wenn es wirklich gelänge, Menschen unsichtbar zu machen? Wie fühlt man sich, wenn man seine eigenen Körper nicht mehr sieht? Studien zeigen, dass unsere visuelle Wahrnehmung eine große Rolle für unser Körpergefühl spielt. Deshalb kann man unser Gehirn durch optische Tricks dazu bringen, Puppenhände als Teil unseres Körpers zu empfinden und sogar Geister-Erscheinungen könnten mit einer verschobenen Körperwahrnehmung erklärt werden.

Arvid Guterstam und seine Kollegen von der Karolinska University in Stockholm haben nun untersucht, wie Probanden reagieren, wenn sie ihren eigenen Körper nicht mehr sehen können. Dafür setzten die Forscher ihren 125 Teilnehmern eine VR-Brille auf, die von zwei Kameras gespeist wurde. Senkten die Probanden den Kopf, um an sich herunterzuschauen, sahen sie statt ihres Körpers nur eine leere Stelle im Raum. Dadurch entstand der täuschend echte Eindruck, plötzlich unsichtbar zu sein.

Wenn die Probanden an sich herunterschauen, sehen sie in Wirklichkeit das Kamerabild des leeren Raumes neben sich. © Staffan Larsson

Ausgetrickstes Körpergefühl

Berührten nun die Forscher den Körper des Probanden mit einem Pinsel, dann sahen die Probanden, wie der Pinsel sich einfach nur in der Luft bewegte. Trotzdem spürten sie die Berührung. „Nach weniger als einer Minute begann die Mehrheit der Probanden, die Berührungsempfindung auf die leere Stelle im Raum zu übertragen, in der sie den Pinsel sahen“, erklärt Guterstam. Sie erlebten die Illusion, dass sich ihr unsichtbarer Körper genau an diesem Ort befand und vom Pinsel berührt wurde.

Noch deutlicher wurde die Macht dieser Illusion im nächsten Test: Die Forscher bewegten ein Messer auf die Stelle im Raum zu, an der die Probanden ihren unsichtbaren Körper vermuteten. Als Folge reagierten diese ähnlich, als wenn ihr Körper tatsächlich durch das Messer bedroht wäre: Sie zuckten zusammen und begannen zu schwitzen. „Das zeigt, dass die aus früheren Studien bekannte Illusion der unsichtbaren Hand überraschenderweise sogar auf den gesamten Körper erweitert werden kann“, so Guterstam.

Unsichtbarkeit senkt Stressniveau

Unsichtbar zu sein – und wenn es nur vermeintlich ist – hat aber offenbar auch sein Gutes, wie ein weiteres Experiment zeigte. Dafür forderten die Forscher ihre Probanden auf, nach einer Zeit der Übung im „unsichtbar sein“ auf eine Bühne zu gehen und sich vor eine Reihe von ernst schauenden Fremden zu stellen. Diese Position im Zentrum der Aufmerksamkeit erzeugt normalerweise eine Stressreaktion im Körper – der Puls steigt, wir beginnen zu schwitzen und Stresshormone werden ausgeschüttet.

Die Illusion unsichtbar zu sein, dämpft diesen sozialen Stress offenbar deutlich: „Wir stellten fest, dass die Herzrate und auch das von den Teilnehmern berichtete Stressniveau niedriger war, wenn sie das Gefühl hatten, unsichtbar zu sein“, berichtet Guterstam. „Das zeigt, dass das Körpergefühl auch beeinflusst, wie unser Gehirn soziale Situationen verarbeitet.“

Die Forscher wollen die Effekte der vermeintlichen Unsichtbarkeit auf die Psyche nun noch weiter erforschen. Sie hoffen, dass sich die Experimente mit der VR-Brille künftig dazu nutzen lassen könnten, beispielsweise Ängste zu behandeln. Sie wollen aber auch untersuchen, wie das Gefühl, unsichtbar zu sein unsere Moral beeinflusst – ob wir uns leichter zu negativen Taten hinreißen lassen, wenn unser Körpergefühl uns vorgaukelt, unsichtbar zu sein. (Scientific Reports, 2015; doi: 10.1038/srep09831)

(Karolinska Institutet, 24.04.2015 – NPO)

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