Chemie

Helium bildet „unmögliches“ Trio

Erster experimenteller Beleg für die Existenz des lange gesuchten Efimov-Trimers

Efimov-Trimer: Die Heliumatome sind extrem weit voneinander entfernt und bilden ein gleichschenkliges Dreieck. © Goethe Universität Frankfurt

Nach der klassischen Physik dürfte es sie nicht geben: Zum ersten Mal haben Forscher sogenannte Efimov-Trimere experimentell nachgewiesen. In diesem exotischen Zustand bilden Atome im angeregten Zustand Dreierpaare, die ungewöhnlich weit voneinander entfernt liegen – und eigentlich nicht stabil gebunden sein dürften. Dieser durch Quanteneffekte erzeugte Zustand war schon lange theoretisch postuliert, ließ sich aber bis jetzt nicht direkt nachweisen, so die Forscher im Fachmagazin „Science“.

Unter gleichen Atomen sind Zweierpaare keine Besonderheit, sie finden sich beispielsweise als Sauerstoffmoleküle (O2) in unserer Atemluft. Anders sieht dies mit Dreier-Verbindungen aus: Sie stellen ein Dreikörperproblem dar, für das es in der Quantenphysik lange Zeit keine Lösung gab. 1970 dann postulierte der theoretische Physiker Vitaly Efimov ein Modell, nachdem drei gleiche Elementarteilchen im angeregten Zustand sogar eine unendliche Anzahl von gebundenen Zuständen einnehmen können.

Jenseits der klassischen Physik

Bei diesen Efimov-Trimeren reicht die Bindungsenergie gerade aus, um die Teilchen in großem Abstand lose aneinander zu binden, nicht aber, um zwei Atome enger zusammenzukoppeln. „Jede klassische Annahme, warum eine solche Struktur stabil bleiben sollte, versagt hier“, erklärt Seniorautor Reinhard Dörner vom Institut für Kernphysik der Goethe-Universität Frankfurt.

Inzwischen aber wurden erste Indizien für solche Efimov-Trimerer in Experimenten entdeckt: Bei ultrakalten Quantengasen aus Cäsiumatomen treten solche Trimere offenbar auf. Dummerweise machen sie sich aber nur dadurch bemerkbar, dass sie ungesehen aus der Atomfalle verschwinden. Wie diese Trimere daher konfiguriert sind, blieb bisher unklar. Und auch die Dreierverbindung, die sich nach Efimovs Vorhersage am ehesten nachweisen lassen sollte, das Helium-Trimer, erwies sich als nicht fassbar.

Heliumstrahl im Vakuum

Das aber hat sich jetzt geändert. Maksim Kunitski von der Goethe Universität Frankfurt und seine Kollegen sind dem Helium-Trimer mit einem raffinierten Experiment auf die Schliche gekommen. Dafür pressten sie ultrakaltes Heliumgas durch eine winzige Düse in eine Kammer mit einem absoluten Vakuum. In dem Heliumstrahl bilden sich unter diesen Bedingungen kurzlebige Moleküle aus zwei, drei oder mehr Heliumatomen, darunter auch Efimov-Trimere, wie die Forscher berichten.

Durch Streuung des Molekülstrahls an einem ultrafeinen Gitter sonderten die Forscher die Trimere ab und beschossen sie dann mit einem Laserstrahl. Dadurch wurden die Atome in den fragilen Dreier-Verbindungen ionisiert und die Moleküle flogen durch die nun wirkende gegenseitige Abstoßung explosionsartig auseinander. Mit Hilfe eines speziellen Ionendetektors gelang es den Forschern nun, die Heliumionen einzufangen und aus ihrer Position zueinander die Form und Eigenschaften des ursprünglichen Efimov-Trimers zu rekonstruieren.

Gleichschenkliges Dreieck

„Die Geometrie des Efimov-Zustands ist bemerkenswert anders als der Grundzustand“, berichten Kunitski und seine Kollegen. Die drei Heliumatome sind nicht nur mehr als 100 Angstrom voneinander entfernt, ihr Abstand unterschiedet sich auch innerhalb des Moleküls: Zwei Atome liegen nahe beieinander, das dritte bildet mit ihnen ein gleichschenkliges Dreieck.

„Dies ist das erste stabile Efimov-System, das jemals entdeckt worden ist“, sagt Koautor Reinhard Dörner von der Goethe-Universität Frankfurt. „Dieses Dreikörpersystem fliegt durch die Vakuumkammer ohne weitere Interaktion und ohne dass wir äußere Felder benötigen um es zu erhalten.“ Wie die Forscher erklären, sind solche Efimov-Moleküle keineswegs eine exotische Ausnahme, sondern könnten in vielen Ansammlungen ultrakalter Atome vorkommen. Der dahinterstehende Quanteneffekt spiele aber auch in anderen Bereichen der Physik und selbst in der Biologie eine Rolle. (Science, 2015; doi: 10.1126/science.aaa5601)

(Goehte Universität Frankfurt, 04.05.2015 – NPO)

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