Seismischer Fahrstuhl: Die Insel Santa Maria vor der Küste Chiles ist der reinste Bebenanzeiger. Denn immer, wenn sich an dieser Stelle der Plattengrenze ein Starkbeben ereignet, wird die ganze Insel um rund zwei Meter angehoben. Dies ermöglichte es Forschern nun erstmals, die Krustenbewegungen während eines kompletten seismischen Zyklus zu verfolgen. Ihre im Fachmagazin „Nature Geoscience“ erschienen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, das Erdbebenrisiko in solchen Gefahrenzonen besser abzuschätzen.
Darüber staunte schon Darwins Kapitän Robert Fitzroy: Als er 1835 mit seinem Schiff Beagle an der südchilenischen Insel Santa Maria vorbeisegelte, sah er rund um die Insel Unmengen toter Muscheln und abgestorbenen Seetangs. Sie lagen in einem breiten Uferstreife, der augenscheinlich erst vor kurzem trockengefallen war. Fitzroy schloss damals daraus, dass sich die gesamte Insel um 2,4 bis drei Meter weit aus dem Wasser gehoben haben musste.
Die Ursache dieser Hebung war ein Erdbeben der Stärke 8,5, das sechs Wochen zuvor Südchile erschüttert hatte. Entlang der Plattengrenze zwischen Südamerika und dem Pazifik hatte sich die aufgestaute Spannung ruckartig entladen und der Untergrund war dabei in die Höhe geschnellt – wie auch an der Insel Santa Maria sichtbar wurde. Was Darwin und Fitzroy damals nicht ahnen konnten: Ein solches Starkbeben wiederholte sich 175 Jahre später an nahezu derselben Stelle mit dem Beben von Maule im Jahr 2010.
Absinken geschieht nicht gleichmäßig
Robert Wesson vom US Geological Survey in Denver und seine Kollegen haben diese Bebenwiederholung nun genutzt, um zu untersuchen, wie sich während eines solchen seismischen Zyklus die Erdkruste bewegt und verändert. Sie werteten dafür historische Unterlagen, aber auch Kartierungen des Meeresgrunds dieser Region aus.
Wie bereits Fitzroy berichtete, wurde die Insel Santa Maria durch das Erdbeben von 1835 um 2,30 Meter angehoben. Bis 1886 blieb sie dann unverändert und begann erst danach, allmählich wieder abzusinken – aber nur um eineinhalb Meter, wie die Auswertungen ergaben. „Interessanterweise deuten diese Beobachtungen darauf hin, dass nach einem solchen Beben das erneute Absinken nicht gleichmäßig geschieht“, erläutert Koautor Marcos Moreno vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ. Im Jahr 2010 hob dann das Erdbeben von Maule die Insel samt Umgebung erneut um rund 1,50 Meter an.
Ein Rest Hebung bleibt dauerhaft
Und noch etwas zeigte sich: In der Ruhephase zwischen zwei Starkbeben sinkt die Erdkruste entlang der Plattengrenze nicht wieder komplett in ihre alte Position zurück. Die komplexe Geometrie der beiden sich übereinander schiebenden Platten führt dazu, dass nur ein Teil der Hebung wieder rückgängige gemacht wird. „Wenn die von uns beobachteten Ereignisse typisch sind, dann könnten zehn bis 20 Prozent des seismischen Hebung dauerhaft sein“, so die Forscher. „Die Senkung zwischen den Beben gleicht nur 80 bis 90 Prozent dieser Hebung wieder aus.“
Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, die Gefahr eines kommenden Bebens entlang solcher Plattengrenzen besser abzuschätzen. Denn die Verformung der Erdkruste in diesen Risikozonen sind wichtige Hinweise darauf, wie viel Spannung sich im Untergrund aufstaut. Das Wissen um den dauerhaft bleibenden Rest der alten Hebungen hilft dabei, diese Spannungen genauer zu ermitteln als bisher, so die Forscher. (Nature Geoscience, 2015; doi: 10.1038/ngeo2468)
(Nature/ GFZ, 23.06.2015 – NPO)