Biologie

Klimawandel nimmt Hummeln in die Zange

Lebensraum schrumpft, weil die Hummeln der Klimaverschiebung nicht folgen können

Hummel auf einer Blüte: Bald ein seltener Anblick? © Jeremy T. Kerr

Forscher schlagen Alarm: Die Hummeln können mit dem Klimawandel nicht Schritt halten. Durch die Erwärmung ist ihr Verbreitungsgebiet im Süden bereits um 300 Kilometer geschrumpft. Die Bestäuberinsekten schaffen es jedoch nicht, sich dafür weiter nach Norden auszubreiten. Als Folge verschwinden immer mehr Hummelarten in Europa und Nordamerika, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten. Hier müsse dringend etwas getan werden.

Hummeln sind ähnlich wie die Honigbiene wichtige Bestäuber für viele Wild- und Nutzpflanzen und entgegen früherer Annahmen begabte und ausdauernde Flieger. Doch die pelzigen Flieger haben es nicht leicht: Pestizide setzen ihnen zu, ihre Nahrung wird durch Monokulturen immer weniger und Bienenseuchen greifen auf sie über.

Verschiebung der Lebensräum

Jetzt hat eine internationale Forschergruppe um Jeremy Kerr von der University of Ottawa eine weitere Bedrohung für die Hummeln ausgemacht: den Klimawandel. Denn die Erwärmung führt dazu, dass sich die Klimazonen immer weiter Richtung Pol verschieben. Für die meisten Tiere und Pflanzen bedeutet dies: dableiben und sich anpassen oder aber mitwandern und ebenfalls nordwärts ziehen. Für viele Vögel und Schmetterlinge hatten Forscher jedoch bereits vor einigen Jahren Alarm geschlagen: Sie „flattern“ dem Klimawandel hinterher.

Die neue Studie belegt nun, dass auch die Hummeln offenbar Probleme haben, sich an die Verschiebung ihres Lebensraums anzupassen. Das geht aus einer Auswertung von Beobachtungsdaten für 67 Hummelarten Europas und Nordamerikas hervor, durch die ihre Verbreitung von 1901 bis heute nachvollziehbar wird.

Im Süden fehlen 300 Kilometer

Das alarmierende Ergebnis: Die Südgrenze des Hummel-Verbreitungsgebiets hat sich in den letzten rund hundert Jahren bereits um 300 Kilometer weiter nach Norden verschoben. Doch statt mit dieser Verschiebung mitzuziehen und im Norden neue Lebensräume dazu zu gewinnen, blieb die nördliche Verbreitungsgrenze der Hummeln gleich. Als Folge wird es immer mehr Hummelarten zu warm und sie gehen ein, wie die Forscher warnen. „An diesem Effekt sind weder die Pestizide noch die veränderte Landnutzung schuld – es wird ihnen einfach zu heiß“, so Kerr.

Warum die Hummeln nicht weiter nach NOrden wandern, ist bisher rätselhaft © Jeremy T. Kerr

„Das ist wie eine Zange mit dem Hummelhabitat in der Mitte“, erklärt der Forscher. „Weil der Klimawandel ihre geografische Verbreitung immer mehr einengt, werden die Hummeln in dieser Klimazange allmählich zerquetscht.“ Allein bei den nordamerikanischen Arten registrierten die Forscher bei einem Drittel deutliche Rückgänge, einige Arten sind bereits um 90 Prozent dezimiert. Damit gehören auch die Hummeln zu den Tieren, die mit dem Tempo des Klimawandels nicht mithalten können.

Fehlende Nordwanderung rätselhaft

Die Forscher vermuten, dass die Hummeln deshalb so empfindlich auf die Erwärmung reagieren, weil sie ursprünglich aus kühlen Gebieten stammen – im Gegensatz zu vielen anderen Insekten, die tropischen Ursprungs sind. Einige Arten haben sich nach oben statt nach Norden geflüchtet: Sie verlagerten ihre Lebensräume weiter hangaufwärts, wo es kühler ist. Schon bald allerdings geht es nicht mehr weiter hinauf – dann gehen ihnen auch diese Refugien verloren.

Warum die pelzigen Hautflügler allerdings nicht weiter nach Norden ziehen, ist auch den Wissenschaftlern bislang ein Rätsel. „Eigentlich sollten diese Bienen dazu fähig sein, neue Kolonien auch dort zu gründen, wo sie zuvor nicht gelebt haben“, sagt Kerr. „Die Tatsache, dass sich ihre nördliche Verbreitungsgrenze trotz des Klimawandels nicht bewegt, ist sehr besorgniserregend.“

Dramatisches Tempo

Setzt sich diese Entwicklung fort, könnte der Verlust dieser wichtigen Bestäuberinsekten für Natur und Mensch gravierende Folgen haben. „Bestäuber sind lebenswichtig auch für unsere Nahrungssicherheit und Wirtschaft“, betont Kerr. Vor allem viele Obst und Gemüsesorten sind von Hummeln und Bienen als Bestäubern abhängig. Schon jetzt gibt es einige Gebiet auf der Erde, in denen Menschen mit Pinseln die Obstbäume bestäuben – weil die Bestäuberinsekten fehlen.

„Das erschreckendste an unserer Arbeit ist die Erkenntnis, wie schnell sich die Situation verändert“, sagt Sheila Colla von der University of York. Viele der Arten, denen es noch vor 50 Jahren gut ging, seien heute in manchen Gebieten schon völlig verschwunden. „Wir reden hier über große Veränderungen in der Artengemeinschaft wichtiger Bestäuber, die nur innerhalb weniger Jahrzehnte stattfanden.“ Manche Hummeln, die wir als Kinder noch beobachten konnten, sind aus unserem Umfeld bereits verschwunden.

Hilfe bei der Migration?

Um diesen Verlust wenigstens teilweise auszugleichen, schlagen die Forscher vor, den Hummeln bei ihrer Nordwanderung zu helfen – durch die sogenannte assistierte Migration. Dabei werden Hummelvölker vom Menschen in weiter nördlich liegende Gebiete umgesiedelt, in denen sie trotz Erwärmung gut überleben können. „Wir brauchen neue Strategien, um diesen Arten zu helfen, mit dem menschengemachten Klimawandel klarzukommen“, so Kerr.

Die wichtigste Empfehlung der Forscher bleibt allerdings der Klimaschutz. „Das wichtigste, was wir tun können, um den Hummeln zu helfen, sind effektive Maßnahmen, um das Fortschreiten der Erwärmung aufzuhalten“, so das Fazit der Wissenschaftler. (Science, 2015; doi: 10.1126/science.aaa7031)

(Science/ University of Ottawa / University of York, 10.07.2015 – NPO)

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