Chemie

Plutonium: Magnetismus-Rätsel gelöst

Fluktuationen der Elektronenzustände erklären "verschwundenen" Magnetismus

Glühendes Plutonium - das Element ist nicht nur radioaktiv, es hat auch andere, ungewöhnliche Eigenschaften. © DOE

Seit Jahrzehnten rätseln Chemiker, warum Plutonium nicht magnetisch ist – obwohl es das der Theorie nach sein müsste. Jetzt haben Forscher eine Antwort gefunden: Die Elektronen des Plutoniums fluktuieren ständig zwischen drei Konfigurationen. Weil diese unterschiedlich magnetisch sind, reagiert das Element im Grundzustand wie ein Nichtmagnet. In Wirklichkeit aber besitze Plutonium einen dynamischen Magnetismus, so die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“.

Plutonium ist eines der schwersten natürlich vorkommenden Elemente, das Actinoid mit der Ordnungszahl 94 ist zudem giftig und stark radioaktiv. Doch das ist nicht alles: „Plutonium ist zwar für die Instabilität seines Kerns bekannt, der die Kernspaltung ermöglicht“, erklären Marc Janoschek vom Los Alamos National Laboratory (LANL) und seine Kollegen. „Aber die Elektronenwolke um den Plutoniumkern ist genauso instabil.“

Zwischen den Stühlen

Schuld daran ist die spezielle Position von Plutonium im Periodensystem. Denn das Element sitzt unter den Actinoiden sozusagen zwischen den Stühlen. Links von ihm stehen mit Thorium, Palladium, Uran und Neptunium Atome, deren Elektronen des 5f-Orbitals delokalisiert sind. Wie für viele Metalle typisch, trägt dieser „Fermi-See“ aus Elektronen zur Bindung mit benachbarten Atomen im Gitter bei. „Im Gegensatz dazu sind die 5f-Elektronen der schwereren Actinoide lokalisiert, sie nehmen nicht an Bindungen teil“, so die Forscher.

Doch das Plutonium sitzt genau dazwischen. Seine 5f-Elektronen können daher je nach Temperatur und Zustand des Elements verschiedenste Verhaltensweise zeigen. „Das macht Plutonium zum elektronisch komplexesten Element des Periodensystems“, sagt Janoschek. „Für ein eigentlich simples Metall besitzt es verblüffend komplizierte Eigenschaften, die sich seit den 1940ern unserem Verständnis entziehen.“

Rätsel des „verschwundenen“ Magnetismus

Eines der ungelösten Rätsel sind die Magneteigenschaften des Plutoniums. Denn gängiger Theorie nach müsste das Metall eigentlich magnetisch sein. Doch in Experimenten ließ sich bisher kein Anzeichen dafür finden. Plutonium lässt sich zwar magnetisieren, scheint aber von sich aus nicht magnetisch zu sein.

Die sich überlagernden drei Zustände der 5f-Elektronen des Plutoniums. Sie erklären, warum sich der Magnetismus nicht einfach nachweisen lässt. © Marc Janoschek

Janoschek und seine Kollegen sind diesem Rätsel nun mit Hilfe der Neutronen-Spektroskopie auf den Grund gegangen. Weil Neutronen zwar elektrisch neutral, aber magnetisch sind, eignen sie sich besonders gut dazu, das magnetische Verhalten von Atomen und ihrer Elektronenhülle zu analysieren.

Springende Elektronen im Fermi-See

Dabei entdeckten sie Überraschendes: Durch die Wechselwirkungen zwischen freien und lokalisierten Elektronen fluktuiert das Plutonium im Grundzustand zwischen drei verschiedenen Elektronenkonfigurationen. Je nach Zustand ändert sich dabei die Zahl der im 5f-Orbital lokalisierten Elektronen. „Die 5f-Elektronen springen ständig in den Fermi-See hinein oder wieder hinaus, was zu virtuellen Valenz-Fluktuationen führt“, erklären Janoschek und seine Kollegen.

Von diesen Zuständen sind zwei magnetisch und einer nicht, wie die Forscher herausfanden. Weil sie aber ständig fluktuieren und sich überlagern, erscheint das Plutonium im normalen Experiment unmagnetisch. Doch das ist nicht der Fall: „Unsere Ergebnisse belegen unzweifelhaft, dass der Magnetismus des Plutoniums nicht fehlt, sondern dynamisch ist und von den Valenzfluktuationen angetrieben wird“, so die Forscher.

Weil die Fluktuationen auch die Größe der Elektronenhülle beeinflussen, lassen sich damit auch einige der komplexen strukturellen Eigenschaften des Plutoniums erklären – zum Beispiel die Tatsache, dass sich das Atomvolumen des Elements je nach Temperatur, Druck oder Anwesenheit von Fremdatomen stark verändert. (Science Advances, 2015; doi: 10.1126/sciadv.1500188)

(Science, 13.07.2015 – NPO)

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