Medizin

Stammzellen gegen Nervenschmerzen

Injektion von Knochenmarks-Stammzellen hemmt neuropathische Schmerzen bei Mäusen

Knochenmarks-Stammzellen (rot), angelagert am Nervengewebe © Gang Chen/ Duke University

Hoffnung für Schmerzpatienten: Stammzellen aus dem Knochenmark könnten gegen bisher unheilbare neuropathische Schmerzen helfen. Darauf deutet eine Studie mit Mäusen hin. Schon eine Injektion mit den Stammzellen linderte ihre Nervenschmerzen mehrere Wochen lang. Der Grund: Die Zellen produzieren ein Protein, das den Schmerz hemmt und das vielen Patienten mit chronischen Schmerzen mangelt, wie die Forscher im „Journal of Clinical Investigation“ berichten.

Neuropathische Schmerzen entstehen, wenn Nervenenden durch Verletzungen, Diabetes, Chemotherapien oder Infektionskrankheiten geschädigt werden. Das Nervengewebe baut ab oder verändert sich krankhaft und sendet dabei Schmerzsignale ans Gehirn. Gegen diese neuropathischen Schmerzen helfen viele gängige Schmerzmittel nicht, für die Betroffenen ist dies daher eine enorme Belastung.

Bindegewebs-Stammzellen als Helfer

Ru-Rong Ji von der Duke University in Durham und seine Kollegen könnten nun jedoch ein Mittel gefunden haben, dass die chronischen Nervenschmerzen langanhaltend lindert: Stromazellen aus dem Knochenmark. Diese Bindegewebs-Stammzellen können sich verschiedenen Zelltypen und Gewebe ausdifferenzieren. Schon länger ist zudem bekannt, dass sie eine ganze Reihe von Wachstumsfaktoren und anderen molekularen Botenstoffen produzieren.

An genau diesem Punkt setzt die Studie der Forscher an. Für ihre Studie injizierten sie Mäusen mit Nervenschäden diese Stammzellen in die Rückenmarks-Flüssigkeit. Ohne Behandlung reagieren diese Tiere überempfindlich selbst auf leichte Schmerz- oder Berührungsreize – ähnlich wie manche Neuropathie-Patienten. Die Wissenschaftler untersuchten daher in regelmäßigen Abständen, wie empfindlich die Tiere gegenüber leichten Schmerzreizen reagierten. Gleichzeitig analysierten sie den Gehalt verschiedener Botenstoffe in Blut und Rückenmark.

Stroma-Stammzelle: Sie sondert Botenstoffe ab, die unter anderem schmerzhemmend wirken. © Robert M. Hunt / CC-by-sa 3.0

Wochenlang schmerzfrei

Das Ergebnis: Schon nach nur einer Injektion nahm die Schmerzempfindlichkeit der Mäuse deutlich ab. „Der schmerzlindernde Effekt der Stammzellen war erstaunlich“, berichtet Ji. „Normalerweise wirkt ein Schmerzmittel nur für Stunden, maximal Tage. Aber nach der Injektion der Knochenmarkszellen hielt die Wirkung vier bis fünf Wochen an.“

Woran das liegt, zeigten weitere Untersuchungen: Die injizierten Stammzellen siedelten sich entlang der Nervenzellen des Rückenmarks an und blieben dort bis zu drei Monate nach der Infusion erhalten. Dann wurden sie allmählich abgebaut. „Das ist genau die richtige Dauer“, erklärt Ji. Denn würden die Stammzellen dauerhaft erhalten bleiben, bestünde ein erhöhtes Risiko für eine Entartung und damit Krebs. Parallel dazu wandern einige Stammzellen auch zu den verletzten Nervenenden, angezogen von einem Botenstoff, den diese freisetzen.

Botenstoff als Schmerzblocker

Die eigentliche Wirkung aber verdankt die Behandlung einem Botenstoff, den die Stammzellen an ihrem neuen Arbeitsort abgeben, das Molekül TGF-Beta1. „Von diesem ist bekannt, dass Menschen mit chronischen Schmerzen zu wenig davon haben“, erklärt Ji. Die injizierten Stammzellen scheinen dieses Manko auszugleichen und so die Schmerzen unter Kontrolle zu bringen. Hemmten die Forscher jedoch das TGF-Beta1 durch eine Chemikalie, blieb auch die schmerzlindernde Wirkung der Stammzell-Behandlung aus.

Versuche ergaben, dass auch eine Injektion dieses Moleküls allein den Mäusen bereits eine Schmerzlinderung brachte. Diese hielt aber nur zwei Stunden an, wie die Forscher berichten. Weil die injizierten Stammzellen zumindest über mehrere Wochen hinweg kontinuierlich für Nachschub sorgen, wirkten sie deutlich länger schmerzlindernd.

Wirkung auch beim Menschen?

Nach Ansicht der Forscher weckt dies die Hoffnung, dass die Stammzellen auch beim Menschen gegen neuropathische Schmerzen helfen könnten. Schon jetzt werden Stroma-Zellen in einigen klinischen Studien gegen andere Leiden wie chronische Darmentzündungen und Herzschäden getestet. Auch erste Hinweise auf eine schmerzstillende Wirkung gab es – es war aber unklar, worauf sie beruht.

„Basierend auf unseren Ergebnissen wissen wir nun mehr darüber und können Zellen und Behandlung entsprechend optimieren“, so Ji. Er und seine Kollegen wollen nun untersuchen, ob die Stammzellen noch weitere Moleküle produzieren, die am schmerzstillenden Effekt beteiligt sind. Sie hoffen, dass ihre Erkenntnisse zellbasierte Therapien voranbringen und dazu beitragen, neue Mittel gegen chronische Schmerzen zu finden. (The Journal of Clinical Investigation, 2015; doi: 10.1172/JCI80883)

(Duke University, 14.07.2015 – NPO)

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