Nano- statt Mikroelektronik: Ein einzelnes Molekül dient als Grundlage eines neuartigen Transistors. Der von einem internationalen Forscherteam gebaute Transistor ist nur eineinhalb Nanometer groß und hat quantenmechanische Eigenschaften. Damit lassen sich grundlegende physikalische Erkenntnisse gewinnen, die für weitere Schritte zur Elektronik in der Quantenwelt dienen, schreiben die Forscher im Fachjournal „Nature Physics“.
Der Trend geht zur Miniaturisierung, das gilt besonders für die Grundbausteine der Mikroelektronik, die Transistoren. Ihr Ausgangsmaterial ist in der Regel ein Halbleiter. Eine Steuerelektrode, das Gate, beeinflusst im Transistor, wie der Strom zwischen zwei weiteren Elektroden fließt – so lässt sich der Stromfluss an- und abschalten sowie seine Stärke regeln. Aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen lassen sich bereits solche Transistoren bauen.
Vom Quantenpunkt zum Molekül-Transistor
Noch kleinere Transistoren erhält man mit sogenannten Quantenpunkten aus mehreren hundert bis tausend Atomen, die einen winzigen Halbleiter-Kristall bilden. Darin können Elektronen nur noch bestimmte Energieniveaus annehmen. Strom fließt, indem ein einzelnes Elektron von einer Elektrode zum Halbleiter-Quantenpunkt „tunnelt“, und von dort weiter zur abgehenden Elektrode.
Doch die Miniaturisierung mit Quantenpunkten hat einen Nachteil: Die Punkte, und damit die Transistoren, lassen sich nicht absolut identisch herstellen. Physiker um Stefan Fölsch vom Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik in Berlin wollten darum ein System aufbauen, dessen Aussehen ganz genau bekannt und reproduzierbar ist. Ihre Idee: ein einzelnes organisches Molekül als Quantenpunkt. Dieses ist chemisch genau definiert, und wie ein Quantenpunkt hat auch ein Molekül immer diskrete Energiezustände.
Wie verkabelt man ein Molekül?
Knifflig daran ist jedoch, die Kontakte und Steuerelektrode an ein 1,3 Nanometer kleines Molekül anzubringen. Fölsch und seine Kollegen schieden dazu zunächst ein organisches Phthalocyanin-Molekül auf der Oberfläche eines Indium-Arsenid-Kristalls ab. Dann folgte die Präzisionsarbeit: Mit der Spitze eines Rastertunnelmikroskops (STM) positionierten sie anschließend einzelne positiv geladene Indiumatome um das Molekül herum auf die Kristalloberfläche.
Damit war der Mini-Transistor bereits fertig: Die Kristalloberfläche und die STM-Spitze dienen als Elektroden. Die Steuerspannung lässt sich regeln, indem die Indiumatome verschoben werden. „Wir wissen ganz genau, wie die Kontakte und die Gate-Elektrode angelagert sind“, beschreibt Fölsch, „und wir können mit atomarer Präzision die Steuerspannung kontrollieren.“
Neues Phänomen durch drehendes Molekül
Dabei haben die Physiker auch ein neues Phänomen beobachtet, das beim Halbleiter-Quantenpunkt nicht auftritt: Das Molekül sitzt, anders als die Atome eines Quantenpunktes, nicht fest auf der Oberfläche, sondern es kann sich drehen. Der Ladungszustand und die Rotation beeinflussen sich gegenseitig, was dem Transistor eine neuartige Strom-Spannungs-Charakteristik verleiht.
Fertig zum Einbau ist der neue Molekültransistor jedoch noch nicht – den Forschern geht es noch nicht darum, miniaturisierte elektronische Bauteile zu produzieren. Ihr Ziel ist erst einmal, die grundlegenden physikalischen Prozesse zu verstehen, die eine Quantenelektronik basierend auf einzelnen Molekülen überhaupt erst ermöglichen. (Nature Physics, 2015; doi: 10.1038/nphys3385)
(Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik, Berlin, 14.07.2015 – AKR)