Technik

Handydaten verraten Depression

Nutzungsdauer und GPS-Daten zeigen eine depressive Phase an

Anhand der Handydaten lässt sich offenbar erkennen, ob jemand depressiv ist © iStock.com

Verräterische Daten: Allein an der Nutzungsdauer und den GPS-Daten unseres Handys lässt sich ablesen, ob wir depressiv sind oder nicht. Das zumindest legt ein Experiment von US-Forschern nahe. Ihnen gelang es anhand dieser Daten, depressive Probanden mit 87-prozentiger Trefferquote zu identifizieren. Indizien sind unter anderem eine längere Nutzung und weniger Ortsveränderungen, wie die Forscher berichten.

Unser Smartphone weiß nicht nur mehr über uns als viele unserer Freunde, es wird auch mehr und mehr zu einem nützlichen Helfer für unsere Gesundheit. Per App und Bewegungssensor zählt das Handy unsere Schritte, warnt uns vor einem Sonnenbrand, vor schädlicher Strahlung oder Chemikalien und könnte im Straßenverkehr sogar unser Leben retten. Auch an die Einnahme von Tabletten oder das Spritzen von Insulin erinnern Apps heute schon.

GPS und Nutzungszeiten als Indikatoren

Schon länger gibt es auch Apps, die nach unserem Befinden fragen und so beispielsweise dabei helfen, eine Phase der Depression rechtzeitig zu erkennen. Doch bisher geht dies nicht ohne zeitraubende Befragung. Sohrob Saeb von der Northwestern University in Chicago und seine Kollegen haben nun jedoch ein Programm entwickelt, das dies überflüssig machen könnte. Denn es erkennt allein anhand der Nutzungsdaten, ob ein Handynutzer depressiv ist.

Dafür analysierten die Forscher die Nutzungszeiten und GPS-Daten der Handys von 28 Probanden über zwei Wochen hinweg. Wofür diese ihr Smartphone nutzten, wurde dagegen nicht erfasst. Der GPS-Sensor übermittelte alle fünf Minuten die Position der Teilnehmer. Zusätzlich unterzogen sich alle Probanden zu Beginn der Studie einem psychologischen Standardtest, mit dem festgestellt wurde, ob sie Anzeichen für eine mittlerer bis schwere Depression zeigen – was bei der Hälfte der Teilnehmer der Fall war.

Ablenkung durchs Handy

Die Forscher testeten nun, ob sich die depressiven Teilnehmer anhand ihrer Smartphone-Daten identifizieren lassen. Und tatsächlich stießen sie auf verräterische Unterschiede. So lag die durchschnittliche tägliche Nutzungszeit bei depressiven Probanden mit 68 Minuten deutlich höher als bei den gesunden Teilnehmer, die ihr Handy im Durchschnitt nur 17 Minuten pro Tag nutzten, wie die Forscher berichten.

Zwar erfassten die Forscher nicht, wozu die Probanden ihre Handys nutzten. Sie vermuten aber, dass gerade Depressive wenig telefonieren und sich vielmehr durch Spiele oder Surfen ablenken. „Menschen nutzen es, um nicht an unangenehme Dinge denken zu müssen, beispielweise an schmerzhafte Gefühle oder schwierige Beziehungen“, so der klinische Psychologe David Mohr von der Northwestern University. „Es ist ein für die Depression typisches Vermeidungsverhalten.“

Depressive sind ortstreuer

Aber auch an den GPS-Daten ließen sich Unterschiede feststellen: Die deprimierten Probanden verbrachten mehr Zeit an einem Ort, meist zu Hause. Auch ein unregelmäßiger, nicht strukturierter Tagesablauf, ablesbar an den Bewegungsdaten, kann auf eine Depression hindeuten, so die Forscher. „Die Tatsache dass die depressiven Probanden weniger herumkamen reflektiert den Motivationsverlust, wie er für eine Depression typisch ist“, erklärt Mohr. „Wenn Menschen depressiv sind, neigen sie dazu, sich zurückzuziehen und haben nicht die Energie oder Lust, auszugehen und etwas zu unternehmen.“

87 Prozent Trefferquote

Das klingt zwar wie ziemlich viel Interpretation von eher wenigen Daten und auch die Forscher räumen ein, dass nun weitere, größere Studien ihre Ergebnisse überprüfen müssen. Doch immerhin: Allein anhand der Nutzerdaten gelang es den Forschern, in 87 Prozent der Fälle eine depressive Phase der Teilnehmer richtig zu identifizieren, wie sie berichten. Interessanterweise waren die Smartphone-Daten dabei sogar verlässlicher als tägliche Fragen, in der Probanden auf einer Skala von 1 bis 10 angeben sollten, wie gedrückt und traurig ihre Stimmung heute war.

„Die Bedeutung liegt darin, dass wir damit erkennen können, ob eine Person depressive Symptome hat und wie stark diese sind, ohne dass wir ihr Fragen stellen müssen“, sagt Mohr. „Wir können dies stattdessen passiv detektieren –ohne Mühe oder Zeitaufwand von Seiten des Nutzers.“ Nach Ansicht der Forscher könnte dies beispielsweise dabei helfen, eine depressive Phase rechtzeitig zu erkennen und dann diese gezielt zu behandeln.

Die Wissenschaftler wollen nun erforschen, ob ihr Programm sich erweitern lässt, indem es die depressiven Nutzer warnt und möglicherweise ihnen Maßnahmen vorschlägt, um ihre Depression zu entgegnen. (Journal of Medical Internet Research, 2015; doi: 10.2196/jmir.4273)

(Northwestern University, 16.07.2015 – NPO)

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