Sonnensystem

Der Mond wirft noch immer Falten

Gezeitenkräfte der Erde erzeugen verblüffend geordnete Böschungsmuster

Falschfarben-Aufnahme einer Steilstufe auf der Mondoberfläche. Die blaue Färbung zeigt an, dass der Krater bei der Faltung angehoben wurde. © NASA/LRO/ Arizona State University/ Smithsonian Institution

Runzliger Trabant: Eine Mondsonde der NASA hat tausende von zuvor unkartierten Falten auf der Oberfläche des Mondes entdeckt – und diese bilden ein erstaunlich geordnetes Muster. Eine Analyse ihrer Ausrichtung hat nun den Grund für diese Runzeln enthüllt: Die Gezeitenkräfte der Erde „massieren“ den Erdtrabanten durch und lassen sogar bis heute neue Falten entstehen, wie die Forscher im Fachmagazin „Geology“ berichten.

Obwohl der Mond der uns nächste Himmelskörper ist, bietet er noch immer reichlich Überraschungen. So entdeckten Wissenschaftler erst kürzlich einen mysteriösen Staubschleier, erstaunlich junge Vulkane und ein unerwartet heißes Mondinneres.

Rätselhafte Falten

Schon länger sorgt dagegen eine Oberflächenstruktur des Erdtrabanten für Rätselraten: Schon in Aufnahmen der Apollo-Missionen waren zahlreiche böschungsartige Steilstufen aufgefallen – bis zu zehn Kilometer lang, aber nur wenige Meter hoch. Einige verlaufen eher gerade, andere bilden Bögen und Lappen. Bislang nahm man an, dass es sich dabei um Schrumpfungsfalten des Mondes handelt, Brüche, die auftreten, weil der Erdtrabant sich beim Abkühlen zusammenzog.

Doch jetzt hat die NASA-Raumsonde Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) mehr als 3.000 weitere dieser Steilstufen oder „Scarps“ kartiert. Sie sind damit die häufigste tektonische Landschaftsform des Mondes. Sollten nur durch Schrumpfung diese Runzeln beeinflussen, dann müssten sie relativ wahllos über die Oberfläche verteilt sein und chaotisch in alle Richtungen zeigen.

Diese Karte zeigt die Position und Ausrichtung der rund 3.200 Steilstufen auf der Mondoberfläche - sie ergeben ein geordnetes Muster. © NASA/LRO/ Arizona State University/ Smithsonian Institution

Überraschend geordnetes Muster

„Doch das ist nicht das, was wir gefunden haben“, sagt Erstautor Thomas Watters vom National Air and Space Museum in Washington. „Es gibt stattdessen ein Muster in der Orientierung der Tausenden von Falten.“ Die Steilstufen bilden fast schon gerade Linien und liegen im hohen Norden des Mondes fast ausschließlich in Ost-West-Richtung, am Äquator dagegen in Nord-Süd-Richtung.

„Das deutet darauf hin, dass noch etwas anderes die Bildung dieser Falten beeinflusst – etwas, das in globalem Maßstab wirkt und sie ‚massiert‘ und ausrichtet“, sagt Watters. Um herauszufinden, was dies sein könnte, entwickelten die Forscher ein Modell, in dem sie verschiedenen Kräfte auf einen virtuellen Mond einwirken ließen, darunter auch die Gezeitenkraft, die die Erde auf ihren Trabanten ausübt.

Gezeitenkraft verabreicht lunare „Massage“

Und tatsächlich: „Die Übereinstimmung zwischen den kartierten Steilstufen und den vom Modell erzeugten Falten-Ausrichtungen ist ziemlich eklatant“, berichtet Watters. Wie das Modell zeigt, erzeugt die Schwerkraft der Erde immer dann den größten Stress auf die Mondkruste, wenn sich der Mond auf dem erdfernsten Teil seiner Bahn befindet.

Erdaufgang auf dem Mond © NASA

„Schon früher haben wir vermutet, dass die Gezeitenkräfte eine Rolle für diese tektonischen Strukturen spielen könnte“, sagt Koautor Mark Robinson von der Arizona State University. „Aber da hatten wir einfach noch nicht genügend dieser Falten kartiert, um eindeutige Schlüsse zu ziehen.“ Erst die Kartierung mit dem LRO lieferte die Grundlage, um das Muster der Steilstufen endgültig zu entschlüsseln.

Aktiv bis heute?

Und nicht nur das: Die Faltenbildung des Mondes könnte auch heute noch andauern. Denn viele dieser Steilstufe überlagern selbst junge Einschlagskrater, zudem sind die oft begleitenden Gräben kaum mit Mondstaub ausgefüllt. Daraus schließen die Forscher, dass diese Mondrunzeln nicht älter als 50 Millionen Jahre sein können – und möglicherweise sogar noch weitaus jünger.

„Sie könnte noch heute aktiv gebildet werden“, berichten die Wissenschaftler. Sollte dies der Fall sein, dann müsste sich dies in Form von leichten Mondbeben mit flachem Bebenherd nachweisen lassen. Denn sie entstehen, wenn das Gestein entlang dieser Falten bricht und sich verschiebt oder aufwölbt. Mit einem lunaren Netzwerk von Seismometern könnten diese verräterischen Mikrobeben nachgewiesen werden, so die Forscher. (Geology, 2015; doi: 10.1130/G37120.1)

(NASA, 16.09.2015 – NPO)

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