Fälschung oder nicht? Ein umstrittenes Bild des Kennedy-Attentäters Lee Harvey Oswald erweist sich in moderner forensischer Analyse als echt. Verschwörungstheoretiker bezeichnen das belastende Foto als manipuliert – Forscher widerlegen diese Ansicht: Ihrem Modell zufolge sind alle strittigen Punkte des Fotos plausibel. Die verwendete Technik könnte auch bei der Analyse anderer möglicherweise gefälschter Bilder helfen, meinen die Wissenschaftler.
Das „Backyard Photo“ sollte den mutmaßlichen Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald schwer belasten: Das berühmte Bild zeigt Oswald mit einer kommunistischen Zeitung in der einen Hand und einem Gewehr des Typs, mit dem John F. Kennedy 1963 erschossen wurde, in der anderen. Offiziellen Darstellungen zufolge zeigte dies sowohl eine politische Motivation für das Attentat, als auch die Tatwaffe. Für Verschwörungstheoretiker war das Foto jedoch ebenfalls ein gefundenes Fressen: das Bild spiele den Ermittlern zu perfekt in die Hände und müsse eine Fälschung sein. Oswald sei nur ein Sündenbock gewesen, der vor seiner umfassenden Aussage ermordet wurde.
Körperhaltung im 3D-Modell
Völlig abwegig schienen die Zweifel nicht zu sein: Nach seiner Festnahme hatte Oswald selbst ausgesagt, dass das Foto eine Fälschung sei. Darüber hinaus kamen Behauptungen auf, dass Licht und Schatten auf dem Foto nicht zusammenpassen und die Größe der Waffe nicht der Original-Länge des Gewehrs entsprechen würde. Außerdem sehe seine seltsame Körperhaltung auf dem Bild nach Fotomontage aus: Oswalds Pose sei physikalisch nicht plausibel – sie schien kein Gleichgewicht zu gewährleisten, so das Argument der Zweifler.
Doch was ist wirklich dran an den Spekulationen? Bereits seit einigen Jahren beschäftigen sich die Forscher um Hany Farid vom Dartmouth College in Hanover mit dem prominenten Foto. Ihre bisherigen Ergebnisse bestätigten die Echtheit, es blieben aber noch Fragen offen. Nun sind die Experten auf dem Gebiet der digitalen Forensik dem Backyard Photo noch einmal mit modernsten Methoden zu Leibe gerückt. Im Zentrum stand dabei die Frage nach der angeblich seltsamen Körperhaltung. Um diesem Aspekt genau nachzugehen, fertigte das Team ein digitales 3D Modell von Lee Harvey Oswald an. Dieses übertrugen sie dann schließlich auf seine Körperhaltung auf dem Backyard Photo und führten Berechnungen bezüglich des Körpergleichgewichts durch.
Analyse widerlegt den Verdacht der Manipulation
Die Gleichgewichtsanalyse ergab: Obwohl die Pose Oswalds eigenartig aussieht, ist sie durchaus stabil. Weitere Untersuchungen bestätigten zudem die früheren Ergebnisse, dass die Licht und Schattenverhältnisse auf dem Foto ebenfalls plausibel sind. Gleiches gilt für die Proportionen der Waffe: Sie ist realistisch abgebildet und stimmt mit dem Typ Waffe überein, aus der die Schüsse auf Kennedy abgefeuert wurden. „Unsere detaillierten Analysen von Oswalds Pose, der Lichtverhältnisse und des Gewehrs in seiner Hand widerlegen den Verdacht von Foto-Manipulation“, resümiert Farid.
Er und seine Kollegen betonen, dass ihre Ergebnisse deutlich über den Fall Kennedy hinausgehen: „Wir glauben, dass unser Konzept der detaillierten 3D-Modellierung generell ein leistungsfähiges Werkzeug für die Überprüfung von physikalischer Plausibilität von Bildern sein kann“, sagt Farid. „Mit einer einfachen Anpassung von Körpergröße und Gewicht, kann unser 3D-Modell verwendet werden, um die Pose und Stabilität sowie die Lichtverhältnisse in Bildern von Menschen forensisch zu analysieren“, so der Wissenschaftler.
(Dartmouth College, 19.10.2015 – MVI)