Weniger ist mehr: Wenn man mehrere Eisentabletten pro Tag gegen Blutarmut einnimmt, wirken sie schlechter als eine niedrigere, langsamere Dosierung. Schuld daran ist ein kleines Molekül, dass die Aufnahme des Eisens ausbremst: Es wirkt deutlich stärker und länger als bisher gedacht, wie Wissenschaftler aus der Schweiz nun herausgefunden haben. Eine langsamer zugeführte Menge würde außerdem unangenehme Nebenwirkungen senken, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Blood“.
Unser Körper enthält insgesamt fünf bis sieben Gramm Eisen, und über die Hälfte davon liegt im roten Blutfarbstoff vor, dem Hämoglobin. Fehlt es dem Körper an diesem wichtigen Element, kann der Eisenmangel zu Blutarmut führen. Häufigste Ursachen sind hohe Eisenverluste durch Blutungen und eine einseitige Ernährung mit wenig Vitamin C, tierischen Produkten und Hülsenfrüchten. Hunderte Millionen von Menschen weltweit leiden an Eisenmangel, Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer.
Hepcidin bremst Eisenaufnahme
Mit täglich eingenommenen Eisentabletten lässt sich dieser Mangel prinzipiell gut behandeln. Ärzte verschreiben in schwereren Fällen sogar eine höhere Dosis von mehreren Tabletten am Tag. Doch ganz so einfach ist die Therapie leider nicht: In höheren Mengen ist ergänztes Eisen toxisch, unser Körper nimmt es darum nur in geringem Maße auf.
Verantwortlich dafür ist ein kleines eiweißähnliches Molekül namens Hepcidin. Die Leber beginnt mit der Produktion dieses Peptids aus nur 25 Aminosäuren, sobald der Körper Eisen zugeführt bekommt. Über das Blut gelangt das Hepcidin auch in den Darm. Dort reguliert es unter anderem, wie viel Eisen aus dem Nahrungsbrei in den Körper gelangen kann.
Forscher um Diego Moretti von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) haben nun herausgefunden, dass das Hepcidin die Eisenaufnahme im Darm noch stärker blockiert als bisher angenommen. Das erschwert den Forschern zufolge auch die Therapie des Eisenmangels mit zusätzlichen Tabletten.
Hepcidin-Blockade noch nach 24 Stunden
In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler über 50 junge Frauen, deren Eisenvorrat erschöpft war, die jedoch noch nicht an Blutarmut litten. Die Frauen erhielten eine tägliche Dosis von mindestens 40 Milligramm Eisen, eine übliche Dosis bei Eisenmangel. Die Tabletten enthielten eine höhere Menge von Eisen-Isotopen, die in der Natur kaum vorkommen. Danach maßen die Wissenschaftler, wie sich die Hepcidin-Konzentration veränderte. Durch das Verhältnis der Eisen-Isotope im Körper der Probandinnen konnten sie bestimmen, welchen Effekt das Peptid auf die Aufnahme des verabreichten Eisens hatte.
Dabei zeigte sich, dass die Hepcidin-Konzentration nach sechs bis acht Stunden ihren Höhepunkt erreichte. Aber auch 24 Stunden nach der ersten Eisengabe war das Molekül immer noch ausreichend vorhanden, um die Aufnahme der zweiten Eisendosis deutlich zu reduzieren. Diese zweite Dosis, die entweder schon am gleichen Tag oder 24 Stunden nach der ersten verabreicht wurde, konnte der Körper demnach verglichen mit der ersten Gabe nur in verminderter Menge absorbieren.
Besser mit der nächsten Dosis warten
Die Forscher nehmen daher an, dass mit einer langsameren Dosierung des Eisens ein größerer therapeutischer Effekt bei Blutarmut möglich wäre: „Wahrscheinlich wäre es effizienter, mit der nächsten Dosis länger zu warten, um die prozentuale Absorption zu verbessern“, sagt Moretti. Dies könnte auch die dosisabhängigen Magen-Darm-Beschwerden senken, die oft als unerwünschte Nebenwirkungen der Eisentherapie auftreten und viele Patientinnen zum Abbruch der Eisenergänzung bewegen.
Moretti räumt jedoch ein, dass die Studie aus zwei Gründen nur begrenzte Aussagekraft hat: Bei den Testpersonen handelte es sich ausschließlich um gesunde, junge Frauen. Ob sich bei Patienten mit ausgeprägtem Eisenmangel und Blutarmut derselbe Effekt zeigt, ist daher nicht eindeutig bewiesen. Außerdem untersuchten die Forscher die Eisenabsorption nur über einen Zeitraum von zwei Tagen. In einer Folgestudie überprüfen sie darum nun auch die Hepcidin-Konzentration und deren Effekte über zwei bis vier Wochen, die Spanne einer typischen Eisenmangel-Therapie. (Blood, 2015; doi: 10.1182/blood-2015-05-642223)
(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 09.11.2015 – AKR)