Nanotechnologie

Knitterfreie Nano-Eierkartons

Mechanisches Metamaterial aus Aluminiumoxid ist ultradünn aber extrem formstabil

Formstabil: Die freistehenden Platten aus Aluminiumoxid springen auch nach dem Verbiegen in ihre Form zurück. © University of Pennsylvania

Klebt nicht, knittert nicht: Ein neues Nanomaterial ist hundertmal dünner als Haushaltsfolie, springt aber immer in seine stabile Form zurück. Wissenschaftler haben dazu Nanoschichten aus Aluminiumoxid mit einem Muster versehen, das an Eierkartons erinnert. Aus den entstandenen Platten ließen sich zum Beispiel ultradünne Flügel für insektenartige Roboter herstellen, schreiben die Forscher im Magazin „Nature Communications“.

Nanomaterialien wie Graphen machen Dinge möglich, die noch bis vor wenigen Jahren futuristisch erschienen: Bauteile für Quantencomputer, biegsame Bildschirme oder ultradünne Glühlampen sind nur einige Anwendungsbeispiele. Und nicht nur wegen seiner elektronischen Eigenschaften ist Graphen begehrt, es ist auch mechanisch bemerkenswert stabil: Eine Hängematte aus einer einzigen Lage des Materials könnte rein rechnerisch das Gewicht einer Katze tragen.

Knitterfrei auch ohne Rahmen

Aber das Material hat einen Haken, denn praktisch kann man eine so große Folie bislang nicht herstellen: Graphen lässt sich nur dann stabil handhaben, wenn man es wie Leinwand auf einen Rahmen spannt oder auf eine Trägerschicht aufbringt. „Materialien im Nanomaßstab sind oft viel stärker als man erwartet, aber sie können im Makrobereich schwer zu verwenden sein“, sagt Igor Bargatin von der University of Pennsylvania.

Die Folien sind weniger als 100 nanometer dick, lassen sich aber mit der Hand anfassen und verformen. © University of Pennsylvania

Jetzt gibt es jedoch Abhilfe: „Wir haben eine freistehende Platte entwickelt, deren Dicke im Nanobereich liegt, die aber groß genug ist, um sie mit der Hand anzufassen“, berichtet Bargatin. Die von ihm und seinen Kollegen entwickelten Plättchen aus Aluminiumoxidlassen sich mit den Fingern verbiegen, springen aber immer wieder in ihre ursprüngliche Form zurück.

Dabei ist das Material tausendmal dünner als ein Blatt Papier und hundertmal dünner als normale Haushaltsfolie. Und gerade letztere verdeutlicht einen Effekt, der so dünnes Material oft unhandlich macht: Dünne Folien werfen leicht Falten, zerknittern und kleben in mehreren Schichten aneinander fest. Haushaltsfolie bleibt genau wie Graphen nur dann glatt, wenn man sie über einen Rahmen oder einen Schüsselrand spannt.

Eierkarton im Nanomaßstab

Doch der neuartige Aluminiumoxid-Film kommt ohne Rahmen oder ähnliche Stützen aus. Das liegt an einer Art Muster, welches die Wissenschaftler in den Nanofilm prägen. So wie die Wellen in Wellblech oder Wellpappe dem Material Stabilität verleihen, gelingt dies auch mit dem neuen Nanomaterial. Allerdings haben die Aluminiumoxid-Platten keine Wellen: „Stattdessen haben sie eine dreidimensionale Struktur, die wie Honigwaben aussehen“, erklärt Bargatin. „Wie ein Eierkarton, aber im Nanomaßstab.“

Auch ohne Rahmen oder Trägermaterial halten die Aluminiumoxid-Plättchen ihre Form. © University of Pennsylvania

Um dieses Muster präzise zu erzeugen, scheiden die Wissenschaftler das Aluminiumoxid schichtweise ab, eine atomdicke Lage nach der anderen. So entstehen schließlich die Platten mit einer Stärke von 25 bis 100 Nanometern. Die Stabilität dieser Platten überraschte selbst die Forscher: „Aluminiumoxid ist eigentlich eine Keramik, also etwas, das normalerweise ziemlich brüchig ist“, sagt Bargatin. „Aber unsere Platten biegen, verdrehen und verformen sich und finden ihre Form wieder, als wären sie aus Plastik.“

Flügel für Roboter-Insekten

Und falls doch einmal ein Schaden auftritt, verhält er sich anders als bei anderen Folien: In Filmen wie Haushaltsfolie erweitert sich ein Riss schnell und geht durch die ganze Folie. Die Nanofolien dagegen reißen normalerweise nur bis zur nächsten „Wand“ des Sechseck-Musters.

Das mechanische Metamaterial könnte überall dort einen praktischen Nutzen haben, wo hohe Stabilität und gleichzeitig geringes Gewicht gefordert sind: Es wäre zum Beispiel geeignet, um nach dem Vorbild von Insekten gebauten Robotern ultradünne Flügel zu verleihen. Die Platten seien mindestens zehnmal dünner als die bislang dünnsten produzierten Flügel, meint Bargatin. „Sie wiegen bloß ein Zehntelgramm pro Quadratmeter.“ (Nature Communications, 2015; doi: 10.1038/ncomms10019)

(University of Pennsylvania, 04.12.2015 – AKR)

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