Geowissen

Tiefsee: Neue Art von heißen Quellen entdeckt

Hydrothermale Schlote in der Karibik haben überraschende Chemie und Energiebilanz

Hydrothermale Schlote am Von Damm Feld in der Karibik. © National Oceanography Centre

Überraschung in der Tiefsee: In der Karibik haben Meeresforscher eine völlig neue Art von hydrothermalen Quellen entdeckt. Die Schlote geben viel mehr Wärme ab, als an ihrer Position nach existierenden Modellen möglich sein dürfte. Sollten noch mehr hydrothermale Felder dieser bislang übersehen Art existieren, könnte diese Energiemenge ein Rätsel der Energiebilanz der Erde lösen, schreiben die Wissenschaftler im Magazin „Nature Communications“.

An hydrothermalen Quellen tritt Hitze aus dem Inneren der Erde an die Oberfläche der Erdkruste. Besonders ausgeprägt ist dieser Prozess dort, wo zwei tektonische Platten auseinander treiben und heißes Gestein aus der Tiefe nachdringt. An solchen Stellen, wie etwa entlang des Mittelatlantischen Rückens, entstehen die meisten bekannten hydrothermalen Quellen der Tiefsee: Aufsteigendes Magma erhitzt Wasser im Gestein, welches mehrere hundert Grad heiß aus dem Meeresgrund austritt. Beim Abkühlen im eiskalten Tiefseewasser fallen gelöste Mineralien aus und bilden die charakteristischen „Rauchfahnen“ und Schlote der sogenannten Schwarzen Raucher.

Heiße Quellen abseits der üblichen Lage

Doch die hydrothermalen Quellen, die Matthew Hodgkinson vom National Oceanography Centre in Southampton gemeinsam mit Kollegen am Von Damm Feld in der karibischen Tiefsee entdeckt hat, passen nicht in dieses bekannte Bild: „Diese Schlote beherbergen eine ähnliche Tierwelt wie die am Mittelatlantischen Rücken im Atlantik, aber die Mineralien und die Chemie des Von Damm Feldes unterscheiden sich sehr von anderen bekannten Schloten“, kommentiert Hodgkinson.

Das Von Damme Feld liegt im Cayman Graben zwischen Kuba und Jamaica. Am westlichen Ende des Grabens befindet sich ein kurzer mittelozeanischer Rücken. Die hydrothermalen Quellen befinden sich jedoch nicht direkt an diesem Rücken, wie dies bei bekannten Feldern der Fall ist. Stattdessen liegen sie abseits davon am flachen Hang eines Unterwasserberges. Erkundet haben die Forscher das Feld der Quellen von Bord des Forschungsschiffes „James Cook“ mit Sonar und einem ferngesteuerten Unterwasserfahrzeug.

Das ferngesteuerte Tauchfahrzeug "Isis" bringt in fast fünf Kilometern Tiefe Thermometer an einem hydrothermalen Schlot an. © National Oceanography Centre

Ungewöhnliche Chemie und viel Energie

Die bis zu 50 Meter hohen Hügel und Schlote dieser Quellen bestehen vor allem aus dem Mineral Talk. Dieses ist reich an Magnesium und Silizium, und im Alltag ist es vor allem als Talkumpuder oder als Hauptbestandteil von Speckstein bekannt. Die Schlote von bisher bekannten hydrothermalen Tiefseequellen bestehen dagegen hauptsächlich aus Sulfiden, vor allem Eisen und Kupfersulfid, aber auch Gold, Zink und seltene Erden sind vorhanden.

Genauso überraschend wie die ungewöhnliche Zusammensetzung ist die überraschende Hitze, die die Quellen ausstoßen: Da sie nicht direkt an einem mittelozeanischen Rücken liegen, sondern am Rande einer solchen Spreizungszone, sollten sie eigentlich nicht so viel Energie aus dem Untergrund erhalten. Doch aus den Schloten strömen pro Sekunde über tausend Kilogramm Flüssigkeit mit 215 Grad Celsius. Die darin mitgeführte Energie entspricht mehreren hundert Kilowatt.

Beitrag zur Wärmebilanz?

Aufgrund dieser großen Menge an Wärme, die an diesen Quellen aus der Erdkruste tritt, spekulieren die Meeresforscher über die Auswirkungen auf die Wärmebilanz der Erde. Denn in existierenden theoretischen Modellen gibt die Erdkruste stets weniger Wärme ab, als sich tatsächlich beobachten lässt.

Die neu entdeckte und bisher übersehene Art von hydrothermalen Quellen könnte helfen, das Rätsel um diesen Unterschied zu lösen: „Wenn noch mehr dieser ungewöhnlichen Orte existieren, könnten sie einen bedeutenden Beitrag zum Austausch von Chemikalien und Wärme zwischen dem Inneren der Erde und den Ozeanen liefern“, erklärt Erstautor Hodgkinson, „und sie könnten in aktuellen weltweiten Einschätzungen des hydrothermalen Einflusses auf die Ozeane fehlen.“ (Nature Communications, 2015; doi: 10.1038/ncomms10150)

(National Oceanography Centre / University of Southampton, 23.12.2015 – AKR)

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