Ob James Joyce, Thomas Mann oder Fjodor Dostojewski, sie alle haben etwas gemeinsam: In ihren Werke verbergen sich mathematische Fraktale, wie Physiker jetzt herausgefunden haben. Analysiert man die Satzlängen in großen Werken der Weltliteratur, verhalten sich diese wie Fraktale: Sie sind selbstähnlich – und das teilweise sogar auf multiplen Ebenen. Als besonders komplex erwies sich dabei Finnegans Wake von James Joyce, aber auch – überraschenderweise – das Alte Testament.
Fraktale sind selbstähnliche mathematische Konstrukte: Zoomt man beispielsweise in eine Mandelbrot-Struktur hinein, treten dort die gleichen Verästelungen hervor wie zuvor im größeren Maßstab gesehen. Noch komplexer sind Multifraktale – gewissermaßen Fraktale von Fraktalen: Bei ihnen sind Fraktale so miteinander verwoben, dass sie an verschiedenen Stellen der Struktur auf verschiedene Weise vergrößert werden müssen, um die Selbstähnlichkeit sichtbar zu machen.
Satzlängen als fraktale Strukturen?
Doch Fraktale sind weit mehr als nur ein Gedankenspiel der Mathematik. Sie verstecken sich auch in der Musik, beispielsweise im Rhythmus von Schlagzeugern und auch die Natur zeigt diese Selbstähnlichkeit – unter anderem in der gekammerten Schale eines Nautilus. Stanislaw Drozdz von der Technischen Universität Krakau und seine Kollegen sind nun weiteren versteckten Fraktalen auf die Spur gekommen: in der Literatur.
Für ihre Studie analysierten die Forscher die Wortzahl der Sätze in 113 Werken der Weltliteratur und suchten darin nach selbstähnlichen Längenverhältnissen. Die Werke stammen aus verschiedenen Epochen und Sprachen und umfassen so unterschiedliche Autoren wie Honoré de Balzac, William Shakespeare, Virginia Woolf, Thomas Mann, Umberto Eco, Fjodor Dostojewski, Henryk Sienkiewicz, J.R.R. Tolkien oder Julio Cortazar.