LIGO-Physiker David Reitze erklärt, wie zwei verschmelzende Schwarze Löcher Gravitationswellen erzeugen© LIGO
„Wir lauschen nun dem Kosmos“
Und noch etwas ist bemerkenswert: Die Frequenz der Gravitationswellen liegt im für uns hörbaren Bereich. Wandelt man diese Signale in Schall um, dann erklingt ein charakteristisches Geräusch, das die Physiker im Englischen als „Chirp“ beschreiben.
„Bisher waren wir taub für diese Geräusche des Universums, jetzt können wir sie hören“, sagte Reitze. „Das Universum hat zum ersten Mal zu uns gesprochen – in Form von Gravitationswellen.“ In Zukunft ermögliche uns dies, viele erwartete, aber auch ganz neue, unerwartete Klänge des Kosmos zu belauschen.
1,3 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt
Die beiden Schwarzen Löcher liegen rund 1,3 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt, wie Reitze berichtet. Jedes von ihnen misst rund 150 Kilometer im Durchmesser und hat die 30-fache Masse der Sonne. Beide umkreisen sich sehr eng und mit etwa der Hälfte der Lichtgeschwindigkeit. Ihr enger Tanz und ihre Verschmelzung erzeugen die Schwingungen in der Raumzeit, die die LIGO-Detektoren nun aufgefangen haben.
Dass LIGO tatsächlich die vor fast genau hundert Jahren von Albert Einstein postulierten Rippel der Raumzeit eingefangen haben, ist ein echter Glücksfall. Denn schon eine Supernova kommt in der Milchstraße nur alle 50 Jahre vor, eine Kollision Schwarzer Löcher ist noch viel seltener. Für die Entdeckung spielt es daher nicht nur eine große Rolle, wie sensibel die Detektoren sind – sie müssen auch zum richtigen Zeitpunkt „hinhören“.

So sahen die Signale der Gravitationswellen in den beiden LIGO-Detektoren aus. © LIGO/NSF
Diesmal ist es echt
Die LIGO-Forscher haben 2010, vor dem Upgrade des Detektors, schon einmal ein ähnliches Signal registriert. Doch es stellte sich kurz vor Veröffentlichung als falscher Alarm heraus. Denn um das LIGO-Team zu testen, werden genau diese Signale in unregelmäßigen Abständen absichtlich in die Detektordaten eingeschleust. Diesmal allerdings erwiesen sich die verräterischen Signale als echt.
Einer der Belege dafür: Die beiden rund 3.000 Kilometer voneinander entfernten LIGO-Detektoren fingen das Signal nahezu gleichzeitig auf. Es entstand, weil die Gravitationswellen die Messstrecke um nur den tausendsttel Durchmesser eines Protons verkürzten und dehnten. Nur sieben Millisekunden nach LIGO in Livingston registrierte auch der Detektor in Hanford das gleichen Muster. „Das ist der Beleg dafür, dass es sich hier nicht um einen lokalen Effekt handelt“, erklärt Gonzalez.
Neuer Blick auf das Universum
Der Nachweis der Gravitationswellen bestätigt nicht nur Einstein und komplettiert unser physikalisches Weltbild. Die Raumzeit-Rippel eröffnen auch einen ganz neuen Blick auf das Universum. Denn mit ihnen lassen sich die Wechselwirkungen von Supernovae, Schwarzen Löchern oder einander umkreisenden Neutronensternen mit der Raumzeit nun direkt erforschen.
Zudem können Astronomen über die Gravitationswellen kosmische Ereignisse wie eine Sternexplosion oder eine Kollision Schwarzer Löcher selbst dann detektieren, wenn sie für optische Teleskope nicht zu sehen sind. Das Aufspüren solcher Ereignisse wird noch einfacher werden, wenn der VIRGO-Detektor im italienischen Cascina später in diesem Jahr seinen Betrieb aufnimmt. Denn dann verfügen die Forscher über drei mehrere tausend Kilometer auseinander liegende Detektoren und können die Quelle eingehender Wellen durch Triangulation orten.
Haben Gravitons eine Masse?
Messungen von Gravitationswellen könnten aber auch dazu beitragen, eines der großen Rätsel der Physik zu lösen: die Natur der Gravitons. Bisher sind diese Überträger-Teilchen der Schwerkraft nur theoretisch postuliert. Man nimmt an, dass es diese Kraftteilchen geben muss, weil dies bei den anderen Grundkräften des Universums, der elektromagnetischen, der starken und der schwachen Kernkraft, ebenfalls so ist. Ob die Gravitons aber wirklich existieren und wie sie beschaffen sind, ist unbekannt.
Die meisten Physiker gehen davon aus, dass die Gravitons masselos sind, ähnlich wie die Photonen der elektromagnetischen Strahlung. Aber vor einigen Jahren postulierten Claudia de Rham von der Case Western Reserve University in Cleveland und ihre Kollegen die gewagte These, dass die Schwerkraft-Teilchen doch eine winzige Masse besitzen könnten – weniger als zehn hoch -33 Elektronenvolt. Sie würde zu einer Wechselwirkung mit der Vakuumenergie des Raums führen und könnten so die Dunkle Energie erklären helfen.
Ob das so ist, könnten Gravitationswellen klären helfen. Denn wären sie masselos, dann müssten sie sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Der Röntgenblitz einer Supernova müsste daher gleichzeitig mit den von der Explosion ausgelösten Rippeln der Raumzeit bei uns ankommen. Besitzen die Gravitons aber eine Masse, dann verlangsamt diese die Ausbreitung der Gravitationswellen – Detektoren müssten dann eine Verzögerung gegenüber dem Licht messen.
Mehr zu Gravitationswellen und ihrer Entdeckung in unserem Special „Gravitationswellen“
(LIGO/NSF, 12.02.2016 – NPO)
12. Februar 2016