Kinder als Immunfaktor: Wenn ein Paar gemeinsame Kinder hat, dann verändert das ihr Immunsystem nachhaltiger als eine Grippe oder andere schwere Infektion, wie Forscher herausgefunden haben. Während unser Immunsystem gegenüber Erregern sehr robust reagiert und schnell wieder in den Normalzustand zurückkehrt, gleicht eine Elternschaft die Abwehr von Partnern einander stark an, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Immunology“
Wie gut unser Immunsystem funktioniert, wird zum Teil durch unsere Gene bestimmt, darunter sogar einige von den Neandertalern geerbte Anlagen. Doch für mindestens die Hälfte unserer Abwehrfunktionen sind Umwelteinflüsse prägend. Studien zeigen, dass dafür unter anderem unsere Darmflora, chronische Infekte und die Ernährung eine wichtige Rolle spielen.
Kinder als stärkster Einflussfaktor
Edward Carr vom Babraham Institute in Cambridge und seine Kollegen haben nun erstmals das zelluläre Immunsystem von 670 Menschen im Alter zwischen zwei und 86 Jahren systematisch untersucht. Sie wollten herausfinden, welche Umweltfaktoren die Funktionsweise und Leistungsfähigkeit unserer Körperabwehr am stärksten prägen. Dafür verglichen sie 54 Lebensweise, Krankheitsgeschichte und verschiedene Immunparameter der Teilnehmer.
Das überraschende Ergebnis: Nicht Lebensweise, Alter oder Infektionen waren die stärksten Einflussfaktoren auf das Immunsystem der Probanden, sondern die Frage, ob sie Kinder haben oder nicht. „Es war eine echte Überraschung, dass Elternsein eine größere Herausforderung für das Immunsystem zu sein scheint als eine schwere Gastroenteritis“, sagt Adrian Liston von der Universität Leuven, einer der Leiter der Studie.
Immunabwehr von Eltern gleicht sich an
Bei Menschen, die gemeinsam ein Kind haben und zusammenwohnen, gleicht sich das Immunsystem ungewöhnlich stark an, wie die Forscher feststellten. Die normalerweise bei nichtverwandten Menschen vorhandenen Unterschiede sanken um rund 50 Prozent ab. Während unser Immunsystem nach einer Infektion relativ schnell wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückfedert, hält die verändernde und angleichende Wirkung des Elternseins dabei langfristig an, so die Forscher.
„Das Elternsein ist eine der schwersten Umwelt-Herausforderungen, der man sich freiwillig aussetzen kann. Insofern erscheint es sinnvoll, dass dies das Immunsystem drastisch verändert“, sagt Liston. „Schlafmangel, Stress, chronische Infektionen und alle anderen Begleiterscheinungen des Elternseins bewirken in unserem Körper eben mehr als uns nur graue Haare zu verschaffen.“
Welchen Einfluss haben Alter und Geschlecht?
Ein weiterer starker Einflussfaktor auf unser Immunsystem ist das Alter. Während die Immun-Landschaft eines Menschen den größten Teil seines Lebens relativ gleich bleibt, ändert sich dies in höherem Lebensalter allmählich. Bestimmte Zellfunktionen bauen ab, einige Immunzellen werden häufiger, wie die Forscher feststellten. Wie stark die Abwehr mit dem Alter nachlässt, sei dabei überraschend stark erblich bedingt.
Zwischen Männern und Frauen waren die Unterschiede im Immunsystem dagegen sehr viel geringer als erwartet. „Das widerspricht der Beobachtung, dass Frauen häufiger an Autoimmun-Erkrankungen leiden und auch stärker auf Impfungen ansprechen“, so Carr und seine Kollegen. Erklärbar seien diese Diskrepanzen vielleicht dadurch, dass die genetische Komponente für diese Unterschiede verantwortlich ist und weniger die Reaktionen auf der zellulären Ebene.
„Unsere Arbeit zeigt, dass wir alle eine relativ stabile Immun-Landschaft besitzen, die robust auf Störungen reagiert“, erklärt Koautorin Michelle Linterman von Babraham Institute. „Wie diese Landschaft aussieht, unterscheidet sich aber von Mensch zu Mensch.“ (Nature Immunology, 2016; doi: 10.1038/ni.3371)
(The Babraham Institute/ Nature, 16.02.2016 – NPO)