Frühe Begegnung: Neandertaler und moderner Mensch zeugten schon zehntausende Jahre früher miteinander Kinder als bisher gedacht. Darauf deutet der Fund von Homo sapiens-Genen bei einem Neandertaler aus dem Altai-Gebirge hin. Das Spannende daran: Quelle dieser Gene muss eine Gruppe von modernen Menschen gewesen sein, die Afrika lange vor den Vorfahren der Europäer verließen, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Der Neandertaler ist zwar kein direkter Vorfahre des modernen Menschen, aber er hat trotzdem genetische Spuren hinterlassen: Rund zwei Prozent Neandertaler-DNA tragen wir Europäer in uns, weil sich einige unserer Vorfahren mit Neandertalern paarten und Kinder zeugten. „Diese Vermischung fand vor etwas weniger als 65.000 Jahren statt, als moderne menschliche Populationen sich von Afrika aus über Europa und Asien verbreiteten“, erklärt Seniorautor Sergi Castellano vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Vermischung mit umgekehrten Vorzeichen
Nun jedoch sind Forscher bei der Analyse des Erbguts eines Neandertalers aus dem Altai-Gebirge auf Indizien für eine weitere, noch frühere Vermischung der beiden Menschenarten gestoßen. Die DNA dieses Neandertalers wies Genvarianten auf, wie sie auch bei modernen Afrikanern vorkommen. Deren Vorfahren jedoch sind nie aus Afrika hinausgekommen und können diese Gene daher nicht von Neandertalern geerbt haben.
Stattdessen müssen diese Gene einst aus Afrika zu den Altai-Neandertalern gelangt sein. „Das Spannende an diesem Fund ist, dass es auf eine Vermischung in umgekehrter Richtung hindeutet“, erklärt Adam Siepel vom Cold Spring Harbor Laboratory. „Wir haben hier DNA des Homo sapiens im Neandertalergenom statt der bekannten Neandertaler-DNA im Erbgut des modernen Menschen.“ Das bedeutet, dass die Mischlingskinder bei den Neandertalern blieben und dort ihre Gene weitergaben.
Nur im Altai, nicht in Europa
Interessant auch: Diese vom Homo sapiens stammenden Genvarianten fanden sich nur bei dem Neandertaler aus der Altai-Region, nicht bei seinen in Europa lebenden Artgenossen. Das ergaben DNA-Analysen eines in Spanien und eines in Kroatien gefundenen Neandertalers. Auch der ebenfalls im Altai-Gebirge lebende Denisova-Mensch scheint an dieser Vermischung mit dem modernen Menschen keinen Anteil gehabt zu haben, wie die Forscher berichten.
„Das Signal, das wir im Altai-Neandertaler sehen, stammt wahrscheinlich von einem Vermischungsereignis, das erst stattfand, nachdem diese spezielle Neandertaler-Linie vor etwas mehr als 100.000 Jahren begann, sich von der Linie seiner europäischen Cousins getrennt weiterzuentwickeln“, erklärt Siepel.
Kontakt schon lange vor der Besiedelung Europas
Diese Befunde aber legen nahe, dass die Altai-Neandertaler sich schon zehntausende Jahre früher als bisher gedacht mit modernen Menschen mischten. Statt erst vor rund 60.000 Jahr in Europa aufeinander zu treffen, hatten die beiden Menschenarten im Süden Sibiriens offenbar schon vor rund 100.000 Jahren Kontakt Kontakt.
Das wiederum bedeutet, dass zumindest eine Gruppe des modernen Menschen Afrika schon lange vor dem Einzug nach Europa in Richtung Asien verlassen haben muss. Dies passt gut zu archäologischen Funden: In China wurden erst vor kurzem 80.000 Jahre alte Zähne eines Homo sapiens entdeckt und auch frühere genetische Studien sprechen für eine erste, frühe Auswanderungswelle aus Afrika.
„Die Präsenz von modernen Menschen und von Neandertalern in der Levante schon vor rund 120.000 Jahren könnte einen Ort liefern, an dem sich Neandertaler und Homo sapiens schon früh vermischten“, konstatieren die Forscher. Von dort aus könnten dann die Neandertaler mitsamt den Nachkommen der gemischten Paarungen weiter in den Altai gezogen sein. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature16544)
(Max-Planck-Gesellschaft/ Cold Spring Harbor Laboratory, 18.02.2016 – NPO)