Biologie

Skurril: Kaulquappen graben wie Würmer im Sand

125 Jahre dauernde Suche nach den Larven der Tanzfrösche war endlich erfolgreich

Wie kleine Aale winden sich die Kaulquappen des indischen Tanzfrosches nach dem Ausgraben im Sand. © SD Biju

Sand statt Wasser: In Indien haben Forscher Kaulquappen eines Frosches an sehr ungewöhnlichem Ort entdeckt. Die aalähnlichen Froschlarven leben tief eingegraben in den Sandbänken von Flüssen. Sie wühlen sich durch den Sand und fressen ihn auch, wie die Biologen im Fachmagazin „PLoS ONE“ berichten. Angesichts diese skurrilen und verborgenen Lebensweise ist es kein Wunder, dass Biologen 125 Jahre lang nach diesen Kaulquappen fahnden mussten.

Der Indische Tanzfrosch Micrixalus ist schon an sich skurril genug: Um Weibchen anzulocken, wedeln die erwachsenen Männchen mit ihren Hinterbeinen, während sie auf Steinen im Fluss sitzen. Dieses Strecken und Beugen ähnelt ein wenig einem Ballet in Zeitlupe. Diese Frösche kommen nur in den Western Ghats vor, einer Gebirgskette, die sich an Indiens Westküste entlangzieht.

Fahndung läuft seit 125 Jahren

Doch die Tanzfrösche haben noch eine Besonderheit: Sie sind die einzige Froschfamilie, bei der Biologen bisher vergeblich nach den dazugehörenden Kaulquappen fahndeten. Bekannt war nur, dass die Froschweibchen ihre Eier in Vertiefungen am Grund flacher Ströme machen und ihre Eier dann mit Sand überdecken. Was aus den Larven wird und wie sie aussehen, ist seit 125 Jahren ein Mysterium.

Erwachsenes Männchen des Tanzfroschs bei seinem skurrilen Balztanz © Sathyabhama Das Biju/ CC-by-sa 3.0

Jetzt jedoch haben Gayani Senevirathne von der Universität von Peradeniya und ihre Kollegen das Geheimnis der Tanzfrosch-Kaulquappen endlich gelüftet. Im Rahmen ihrer Suche fischten sie zunächst das Flussbett und kleine Seitentümpel von Gewässern in den Western Ghats mit Netzen ab – ohne Erfolg. Dann jedoch konzentrierten sie ihre Fahndung auf Sandbänke in den Flüssen und gruben darin, in der Hoffnung, so vielleicht auf die Kaulquappen zu stoßen.

Fund in der Sandbank

Und tatsächlich: „Schon in der ersten Stunde des Grabens entdeckten wir acht Kaulquappen“, berichten die Biologen. „Alle versuchten, sich sofort wieder durch heftiges, aalartiges Winden in das Kiesbett hineinzugraben.“ Typischerweise kamen die Froschlarven in zehn bis 40 Zentimetern Tiefe vor und gruben sich sowohl in den Sand des Flussbetts ein, als auch in den feuchten Sand der Uferböschung.

Ein DNA-Vergleich ergab, dass es sich bei diesen Wesen in der Tat um die lange gesuchten Larven des Tanzfroschs handelte. „Wir liefern damit den ersten Nachweis der Tanzfrosch-Kaulquappen“, sagt Senevirathne. „Wahrscheinlich sind sie wegen ihrer grabenden Lebensweise all die Jahre unentdeckt geblieben – sie ist in der Welt der Amphibien extrem selten.“

Aalartiger Körper, gesägte Kiefer

Die Kaulquappen werden bis zu gut drei Zentimeter lang und ähneln mit ihrem sehr kräftigen, muskulösen Schwanz kleinen Aalen. Auffallend auch: Obwohl sie in völliger Dunkelheit leben, besitzen die Froschlarven relativ große Augen. Diese sind von einer dicken, harten Haut überdeckt, die die Sehorgane vor Abschürfungen durch den Sand und Kies schützt.

Das Maul der Kaulquappen ist von gezackten Rändern eingefasst. © Senevirathne et al./ PLoS ONE

Ihr Maul ist von gesägten Rändern umgeben, die möglicherweise wie eine Art Filter größere Sandkörner beim Fressen fernhalten sollen. Denn wie die näherer Untersuchung des Darminhalts ergab, scheinen sich die Kaulquappen – ähnlich wie Regenwürmer – von organischen Bestandteilen des Sands zu ernähren.

Ebenfalls ungewöhnlich: Die Kaulquappen besitzen schon in einem sehr frühen Stadium Rippen. Bisher waren nur vier Familien der Frösche bekannt, bei denen Kaulquappen bereits diese Knochenbögen besitzen. „Zusammen mit den kräftigen Muskeln könnten die Rippen es den Tanzfrosch-Larven erleichtern, sich mit den aalartigen Bewegungen durch den Sang zu wühlen“, sagen die Forscher.

Grund für die Lebensweise noch unklar

Warum die Tanzfrosch-Kaulquappen eine so ungewöhnliche Lebensweise entwickelt haben, ist bisher unklar. Die Wissenschaftler vermuten, dass dies eine Anpassung an die stark wechselnden Wasserstände in den Gewässern der Western Ghats sein könnte. Vielleicht spielten aber auch besonders viele Fressfeinde oder der Reichtum an organischem Material im Sand eine Rolle dafür.

Wie die Forscher betonen, unterstreicht die Entdeckung der Tanzfrosch-Kaulquappen die einzigartige und reiche Artenvielfalt der Western Ghats. Die UNESCO hat diesen 1.600 Kilometer lange Gebirgszug auch deshalb zum Weltnaturerbe der Menschheit erklärt. Ob dies den gefährdeten Tanzfröschen und ihre bizarren Kaulquappen beim Überleben hilft, muss sich zeigen. (PLoS ONE, 2016; doi: 10.1371/journal.pone.0151781)

(PLOS, 31.03.2016 – NPO)

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