Geowissen

Gashydrate als Gletscherbremse entlarvt

Gefrorene Methanreservoire hemmen den Fluss über ihnen liegender Eisriesen

Die dunklen Linien zeigen, wo die Gletscher einst ungebremst über den norwegischen Schelf strömten. Doch nördlich davon bremste etwas ihren Fluss, wie das unregelmäßig zerklüftete Terrain zeigt. © MAREANO

Bremse am Meeresgrund: Methanhydrat im Untergrund könnte erklären, warum einige Gletscher langsamer fließen als anderen. Denn wie Forscher herausgefunden haben, wirken diese gefrorenen Verbindungen aus Methangas und Wasser wie eine Bremse auf die Eisriesen. Sie machen das Sediment steifer und trockener und verhindern so, dass sich eine rutschige Gleitschicht unter dem Gletscher bildet, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.

Gibt es im Meeresgrund irgendwo Gashydrate, war dies bisher meist keine sonderlich willkommene Nachricht. Denn wird das Sediment zu warm, zerfällt diese gefrorene Verbindung aus Methan und Wassereis und kann große Mengen Methangas freisetzen – und ganze Hänge zum Abrutschen bringen. Durch den Klimawandel häufen sich schon jetzt solche Gasaustritte vor der US-Ostküste, aber auch an der Westküste und vor Neuseeland.

Spurensuche vor Norwegens Küste

Doch wie sich jetzt zeigt, haben Methanhydrate auch eine positive Wirkung – gerade in Zeiten des Klimawandels. Denn wie Monica Winsborrow von der Arktischen Universität im Tromsø und ihre Kollegen herausfanden, können diese Ablagerungen den Fluss großer Eisströme und Gletscher abbremsen.

Für ihre Studie haben die Forscher den Meeresgrund der Barentssee vor der Nordwestküste Norwegens genauer untersucht. An dieser Stelle strömten während der letzten Eiszeit vor rund 24.000 Jahren gewaltige Gletscher vom Festland aus in Richtung Schelfkante. Doch während in einem Großteil dieses Gebiets langgezogene Sediment-Riefen für einen sehr zügigen Eisstrom sprechen, war dies in einem rund 250 Quadratkilometer großen Gebiet des Schelfs offenbar nicht der Fall.

Bremsspuren am Meeresgrund

„Die hügelige Morphologie dieses Gebiets ist für einen Paläo-Eisstrom sehr ungewöhnlich“, berichten Winsborrow und ihre Kollegen. Der Untergrund bildet hier eine 90 Meter tiefe Senke, aus der immer wieder knapp 80 Meter hohe Untersee-Hügel aufragen. „Dies spricht dafür, dass der Eisstrom im Gegensatz zum Rest des Schelfs hier nur langsam floss“, erklären die Forscher.

Normalerweise sorgt das gewaltige Gewicht des Gletschers selbst dafür, dass er buchstäblich läuft wie geschmiert. „Die Reibung mit dem Untergrund erzeugt Wärme, die die Basis des Eisstroms schmelzen lässt“, erklärt Winsborrow. Dadurch bildet sich eine schlammige Gleitschicht, auf der der Gletscher abwärts rutscht. „Den Rest erledigt dann die Schwerkraft“, so die Forscherin.

Unter dem auflastenden Druck des Gletschers (rechts) gefrieren Methan und Wasser zu Gashydraten - und die wirken als Bremse. © Alexey Portnov/ CAGE

Verstärkte Reibung statt Gleitschicht

Aber im Untersuchungsgebiet der Wissenschaftler war dies offensichtlich nicht der Fall. Stattdessen scheint der Untergrund den Gletscher abgebremst zu haben. Die Ursache dafür entdeckten die Forscher, als sie die Struktur des Meeresgrunds mit Hilfe seismischer Wellen analysierten: Unter dem Sediment liegen flache Schichten, in denen Methangas und Wasser eingeschlossen sind.

Diese Vorkommen hätten auf die Gletscher kaum Auswirkungen gehabt, wohl aber ihre gefrorene Form – das Methanhydrat. Denn wenn sich dieses durch den Druck und die Kälte des Gletschers bildet, entzieht es dem umliegenden Sediment Wasser. Das jedoch verhindert die Bildung der rutschigen Schlammschicht und macht den Untergrund steifer und trockener. „Die Methanhydrat-Vorkommen müssen die Reibung an der Unterseite der Eisströme verstärkt haben und behinderten dadurch das Strömen des Eises“, sagt Winsborrow.

Bedeutung für heutige Gletscherschmelze

Das aber bedeutet, dass Gashydrate auch heute noch als Gletscherbremse wirken könnten. In Zeiten immer schneller ins Meer strömender Gletscher ist dies eine wichtige Erkenntnis, wie die Forscher betonen. „Wenn es Methanhydrate unter den heutigen Eiskappen gibt, könnten sie deren Fluss ebenfalls abbremsen“, so Winsborrow. „Das wurde bisher in Modellen und Prognosen nicht berücksichtigt.“

Geologische Studien sprechen dafür, dass es unter dem Eis der Antarktis und Grönlands tatsächlich ausgedehnte Vorkommen von Methanhydraten geben könnte. Das könnte möglicherweise erklären, warum einige Gletscher dieser Eisschilde ihren Eisfluss bisher weniger stark beschleunigt haben als andere. (Nature Geoscience, 2016; doi: 10.1038/ngeo2696)

(Universitetet i Tromsø, 15.04.2016 – NPO)

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