Elektrisches Doping fürs Gehirn: Gezielte Hirnstimulation mit schwachem Gleichstrom könnte unsere Kreativität fördern. Werden für kreatives Denken verantwortliche Regionen im Gehirn auf diese Weise zu mehr Aktivität angeregt, hat das einen deutlichen Effekt. Im Experiment wurden Probanden dank der elektrischen Impulse einfallsreicher, wie Forscher berichten. Sie fanden demnach mehr Lösungen für Aufgaben, bei denen innovatives Denken gefragt war. In Zukunft könnte die Methode vielleicht einmal Patienten mit Hirnstörungen helfen.
Wissenschaftler sind heute dazu in der Lage, bestimmte Bereiche unseres Gehirns gezielt zu manipulieren. Mithilfe von Magnetimpulsen können sie die Aktivität von Hirnregionen kurzzeitig unterbrechen und sogar die Händigkeit von Probanden umpolen. Umgekehrt lässt sich unser Gehirn durch transkranielle elektrische Signale auch räumlich begrenzt stimulieren. Selbst Träume konnten Forscher mit dieser Hirnstimulation schon beeinflussen.
Neurologen hoffen, mit dieser Methode zum Beispiel Gedächtnisleistungen von an Demenz Erkrankten oder die Bewegungsfähigkeit von teilweise gelähmten Schlaganfallpatienten verbessern zu können. Nachweisbare Erfolge fehlen allerdings bislang. Forscher um Adam Green von der Georgetown University haben nun untersucht, ob man mit diesem Ansatz womöglich die Kreativität gesunder Individuen steigern könnte – und vielversprechende Ergebnisse erzielt.
Kreativ Analogien bilden
Mithilfe der sogenannten transkraniellen Gleichstromstimulation (tDCS) testeten die Mediziner, wie sich schwache elektrische Impulse im vorderen Teil des präfrontalen Kortex des Gehirns auf die Kreativität von Probanden auswirken. „Eine erhöhte Aktivität in dieser Hirnregion geht in Experimenten mit besserem kreativen Denken einher“, erklärt Green. „Es schien deshalb naheliegend, dass eine Stimulation dieses Bereichs Menschen zu mehr Kreativität verhelfen könnte.“
Für ihre Studie ließen die Forscher die Teilnehmer Aufgaben lösen, bei denen diese möglichst viele neue Analogien zwischen Begriffen herstellen mussten. Wie Studien nahelegen, lässt sich schon mit solchen kognitiven Aufgaben Kreativität gezielt fördern. Doch würde eine gleichzeitige Stimulation mit schwachen Strömen die Leistung verbessern?
Mehr sinnvolle Lösungen
Tatsächlich zeigte sich: Unter Einfluss der elektrischen Hirnstimulation fanden Probanden mehr kreative Analogien zwischen Gruppen von Wörtern und konnten zudem mehr Verknüpfungen zwischen einzelnen Begriffen herstellen. Dabei verbesserten die Teilnehmer ihr Ergebnis nicht durch das Hinzufügen von sinnlosen Lösungen, wie Green und seine Kollegen betonen. Stattdessen fanden sie mehr innovative Lösungen, die tatsächlich zutreffend waren.
Für die Wissenschaftler ist damit erneut bestätigt, dass Kreativität kein unveränderliches Persönlichkeitsmerkmal ist. Kreatives Denken sei vielmehr eine dynamische Eigenschaft, die sich durch kognitives Training aber auch äußere Einflüsse auf das Gehirn verändern lasse. „Unsere Studie belegt erstmals, dass die transkranielle Gleichstromstimulation Kreativitätsleistungen verbessern kann“, sagen die Forscher.
Hoffnung für Patienten mit Hirnstörungen?
Künftig, so die Hoffnung, könnten von der Methode vielleicht einmal Menschen mit Gehirnerkrankungen profitieren. „Patienten mit Sprachfindungsstörungen, können die Wörter, die sie gerade benötigen, oft nicht finden oder bilden“, erklären die Wissenschaftler. „Mit mehr Kreativität und einer verbesserten Fähigkeit zu analogen Schlussfolgerungen finden sie hingegen womöglich alternative Wege, um ihre Ideen auszudrücken – sei es mit anderen Wörtern oder zum Beispiel Gesten.“
Trotzdem sei die Methode mit Vorsicht zu genießen, betonen Green und seine Kollegen. Ihre Ergebnisse seien zwar vielversprechend, müssten aber zunächst durch weitere Experimente bestätigt werden. Zudem wisse man noch zu wenig darüber, wie sich tDCS im Detail auf die Gehirnfunktion auswirke: „Diese Art von Stimulation außerhalb eines kontrollierten Versuchs unter Laborbedingungen durchzuführen, könnte gefährlich sein und wir raten dringend davon ab“, warnen sie. (Cerebral Cortex, 2016; doi: 10.1093/cercor/bhw080)
(Georgetown University, 18.04.2016 – DAL)