Verzerrte Sicht: Wie unser Gehirn eine Person wahrnimmt, hängt nicht nur von ihren objektiven Gesichtszügen ab – sondern auch von stereotypen Erwartungen. Das zeigt nun ein Experiment von US-Forschern. Demnach verarbeitet das Gehirn Gesichter so, dass sie unseren Vorurteilen und Klischees mehr entsprechen, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Neuroscience“ berichten. Das heißt: Wer Männern grundsätzlich aggressive Eigenschaften zuschreibt, dessen Gehirn reagiert auch auf ein neutrales Männergesicht so, als würde es ein wütendes sehen.
Was wir von anderen denken und wie wir mit ihnen umgehen wird oft von Stereotypen bestimmt. Klischees und Vorurteile verleiten schon Kinder und Jugendliche dazu, dicke Menschen für dumm zu halten. Im Arbeitsalltag sorgen sie dafür, dass insbesondere fröhlichen Frauen keine Führungsstärke zugetraut wird – und selbst politische Wahlentscheidungen hängen mitunter von Stereotypen ab.
Unbewusst beeinflussen solche verinnerlichten Vorstellungen demnach unser Verhalten. Doch könnte ihr Einfluss womöglich noch viel weitergehen? Diese Frage haben sich nun die Neurowissenschaftler Ryan Stolier und Jonathan Freeman von der New York University gestellt – und gezeigt, dass Stereotypen sogar die visuelle Wahrnehmung manipulieren können.
Unbewusste Reaktionen auf Gesichter
Für ihre Studie untersuchten die Forscher, wie Menschen Personen auf Fotos einschätzen. Dazu zeigten sie den Probanden zunächst Bilder mit unterschiedlichen Gesichtern – mal war ein Mann zu sehen, mal eine Frau, mal ein Afrikaner, mal ein Asiate. Auch die Emotionen der Gesichter variierten. Während die Teilnehmer die Fotos ansahen, zeichneten Stolier und Freeman deren Hirnaktivität mittels funktioneller Mangnetresonanztomographie auf.