Treibhausgas-Speicher am Meeresgrund: Forscher haben herausgefunden, wo das während der letzten Eiszeit aus der Atmosphäre verschwundene Kohlendioxid gespeichert wurde. Mithilfe von Sedimentproben entdeckten sie: Vor rund 20.000 Jahren war das Treibhausgas in Wasserschichten im Pazifik eingeschlossen – in Tausenden Metern Tiefe. Das Meer zirkulierte damals so wenig, dass das kohlenstoffreiche Tiefenwasser fast 3.000 Jahre ohne Kontakt zur Oberfläche blieb.
Die Wechsel von einer Warmzeit zu einer Eiszeit waren in der Klimageschichte immer mit einer starken Abnahme des Kohlendioxidgehalts in der Atmosphäre verbunden. Doch wohin die großen Mengen des Treibhausgases verschwanden und wie sie am Ende einer Eiszeit wieder in die Atmosphäre gelangten, das war bis dato umstritten.
Wissenschaftler um Thomas Ronge vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven haben dieses Rätsel nun gelöst. Sie wollten wissen, wie sich die letzte klimatische Kälteperiode auf eine der größten Lüftungsklappen der Weltmeere ausgewirkt hat – und stießen dabei auf eine Erklärung für das Kohlendioxidgeheimnis.
Tiefenwasser als Speicherkandidat
Für ihre Studie analysierten die Forscher Sedimentproben aus dem südlichen Pazifischen Ozean. Hier transportieren Meeresströmungen kontinuierlich kohlenstoffreiches Wasser aus der Tiefe an die Oberfläche und geben dabei normalerweise Kohlendioxid an die Luft ab. Kommt es zu einer Eiszeit, kann dieser Austausch jedoch nicht mehr stattfinden, weil Eismassen die „Entlüftung“ teils verhindern. Das heißt: Irgendwo müssen die Gase aus der Tiefe gespeichert werden.
Bei der Suche nach einem solchen Kohlendioxid-Speicher orientierten sich Ronge und seine Kollegen an bekannten Daten aus Eisbohrkernen. Diese zeigen, dass zum Ende der letzten Eiszeit große Mengen Kohlendioxid in die Atmosphäre abgegeben wurden, die aus einem Reservoir stammen, das lange Zeit nicht im Kontakt zur Atmosphäre gestanden hat. Als wahrscheinlichstes Kohlenstoffversteck gilt deshalb das ozeanische Tiefenwasser – und dessen größter Anteil befindet sich im Pazifik.
Altersbestimmung mit Kalkschalen
Aus diesem Grund nahmen die Wissenschaftler im Pazifik Proben aus 830 bis 4.300 Metern Tiefe, die bis zu 35.000 Jahre in die Erdgeschichte zurückreichen. Anschließend analysierten sie die darin enthaltenen Kalkschalen am Meeresboden lebender Einzeller, den sogenannten Foraminiferen.
Mithilfe der Radiokarbon-Datierungsmethode bestimmten sie das Alter jener Wassermasse, in der die Organismen lebten – das heißt, den Zeitraum, den diese Wassermasse nicht mehr im Austausch mit der Atmosphäre stand. „Je älter eine Wassermasse ist, desto mehr Kohlendioxid speichert sie, da ständig gebundener Kohlenstoff in Form von Tier- und Pflanzenresten von der Oberfläche in sie hinabrieselt“, sagt Ronge.
Eiszeit verhinderte Wasserzirkulation
Die Analyse der Proben aus verschiedenen Tiefen offenbarte: Das Wasser des Südlichen Ozeans war vor circa 20.000 Jahren stark geschichtet und die einzelnen Wassermassen durchmischten sich kaum. Ab einer Tiefe von 2.000 Metern verlangsamte sich die Ozeanzirkulation sogar so stark, dass die dortigen schweren, salzhaltigen Wassermassen fast 3.000 Jahre ohne Kontakt zur Oberfläche waren, berichten die Forscher.
„In dieser Zeit ist so viel gebundener Kohlenstoff in Form von Tier- und Algenresten von der stärker durchmischten Meeresoberfläche in die tiefe Wasserschicht herabgerieselt, dass wir sie in unserer Studie als jenen großen Kohlenstoffspeicher identifizieren konnten, nach dem wir so intensiv gesucht haben“, sagt Ronge. Gleichzeitig zeigten die Daten, dass die Wassermassen zusätzlich mit Kohlendioxid aus Eruptionen submariner Vulkane angereichert wurden.
Der Grund für diese lange Entlüftungspause des Pazifiks war den Forschern zufolge nicht nur die große Meereisdecke, die sich beim Wechsel von der Warmzeit zur Eiszeit zunächst auf dem Südpolarmeer bildete und die Lüftungsklappe des Ozeans schloss. Auch die Westwinde verlagerten sich zu dieser Zeit Richtung Norden. Dadurch wurde der Auftrieb im Südozean reduziert und nur noch wenig Tiefenwasser gelangte an die Oberfläche.
Beitrag zur Erderwärmung
Als dann zum Ende der Eiszeit das antarktische Meereis wieder schrumpfte, die Westwinde in den Süden zurückkehrten und die Ozeanzirkulation erneut Tempo aufnahm, gelangte das kohlenstoff-angereicherte Tiefenwasser an die Meeresoberfläche. „Das Wasser hat dann große Teile seines gespeicherten Kohlenstoffs in Form von altem Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben und die Erwärmung des Planeten noch einmal deutlich vorangetrieben“, schließen die Wissenschaftler.
Auch heute wird rund um die Antarktis kohlenstoffreiches Tiefenwasser an die Meeresoberfläche transportiert. Seit der Industrialisierung hat sich die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre jedoch so erhöht, dass sie beim Gasaustausch kein Kohlendioxid aus dem Meer mehr aufnimmt. Stattdessen nimmt der Ozean momentan vermehrt das Treibhausgas auf – und bremst somit leicht die globale Erwärmung. „Studien zeigen jedoch, dass sich dieses Verhältnis im Laufe der kommenden Jahrhunderte umkehren könnte“, schreibt das Team. (Nature Communications, 2016; doi: 10.1038/ncomms11487)
(Alfred-Wegener-Institut, 10.05.2016 – DAL)