Extrem, aber überstehbar: Physiker haben untersucht, ob ein physikalisches Objekt die Passage durch ein Wurmloch überstehen könnte, ohne von den gewaltigen Kräften in seine Elementarteilchen zerlegt zu werden. Ihr Ergebnis: Zwar wird man spaghettisiert und im Trichter des Wurmlochs gewaltigen Gezeitenkräften ausgesetzt. Theoretisch aber sind diese Kräfte endlich – und damit könnte man ihnen entgegenwirken.
In Hollywoodfilmen, Serien wie „Deep Space 9“ oder Science-Fiction-Romanen gibt es sie längst: Wurmlöcher als Verbindung zwischen weit entfernten Regionen des Universums. Aber auch in Albert Einsteins Theorie der Allgemeinen Relativität gibt es mathematische Lösungen, unter denen solche „Raumzeit-Tunnel“ existieren. Zwei Schwarze Löcher wären dabei durch einen Bereich verbunden, in denen die Raumzeit zwar extrem gekrümmt ist, aber nicht in einer Singularität endet, wie normalerweise bei Schwarzen Löchern üblich.
Kann es Wurmlöcher geben?
Allerdings: Die Bedingungen dafür, dass solche Wurmlöcher existieren, sind so exotisch, dass man ihre Existenz bisher für unmöglich hielt. Hinzu kommt, dass ein solcher Tunnel in der Raumzeit instabil wäre und der zylindrische Durchgang zwischen den beiden Schwarzen Löchern schnell zu zwei Singularitäten zerfallen würde – und damit zu einer Falle ohne Wiederkehr.
Diego Rubiera-Garcia von der Universität Lissabon und seine Kollegen sehen dies jedoch anders. Sie haben kürzlich in einer theoretischen Studie belegt, dass Wurmlöcher im Kosmos durchaus existieren könnten. Jetzt haben sie sich näher angeschaut, welche Folgen die Passage durch ein solches Wurmloch für feste Objekte, eine Person oder das Licht hätte.
„Schmerzhafte Spaghettisierung“
Die Relativitätstheorie besagt, dass ein Körper, der sich einem Schwarzen Loch nähert, in Längsrichtung extrem auseinandergezogen wird „Das Schicksal eines allzu neugierigen Beobachters ist es, durch die starken Gezeitenkräfte eine schmerzhafte Spaghettisierung zu erleben, bevor er dann im Zentrum eines Schwarzen Lochs zerstört wird“, erklärt die Physikerin Jennifer Sanders in einem begleitenden Kommentar.
Doch wie Rubiera-Garcia und seine Kollegen nun ermittelt haben, könnte ein Objekt eine Passage in einem Wurmloch dennoch überstehen – wenn auch nicht gerade in einem sonderlich guten Zustand. Ihren Berechnungen nach würde eine Person dabei zwar spaghettisiert, aber nur soweit, dass sein Durchmesser dem des Wurmlochs entspricht.
Fatale Gezeitenkräfte
Daraus ergibt sich die Frage, ob ein Objekt diesen Prozess grundsätzlich intakt überstehen könnte, wenn er extrem dehnbar und komprimierbar wäre. Denn auch wenn der Raumzeit-Tunnel durchlässig ist, wirken in seinem enger werdenden Eingangstrichter extreme Gravitationskräfte: „Jedes Teilchen des Objekts folgt einer geodätischen Linie, die vom Gravitationsfeld bestimmt wird“, erklärt Rubiera-Garcia. „Jede dieser Linien spürt dabei eine leicht andere Schwerkraft.“
Dieser Effekt führt dazu, dass die einzelnen Partikel im Körper des glücklosen Wurmloch-Reisenden durch extreme Gezeitenkräfte gestaucht und auseinandergezogen werden. Schaffen es seine Einzelteile nicht, trotz der Spaghettisierung untereinander in einer kausalen Verbindung zu bleiben, beispielsweise durch physikalische oder chemische Wechselwirkungen, dann ist die völlige Zerstörung die Folge. Aber kann ein materielles Objekt die Gezeitenkräfte im Wurmloch grundsätzlich überstehen?
Extrem, aber überstehbar
Nach Ansicht der Forscher lautet die Antwort darauf „Ja“. Denn wie sie im Modell demonstrieren, bleibt der räumliche Abstand zwischen zwei geodätischen Linien im Wurmloch immer endlich. Ein Lichtstrahl könnte dadurch noch immer von einem Partikel des Objekts zu einem anderen strahlen und beispielsweise Informationen übermitteln – eine kausale Verbindung bliebe demnach erhalten.
Das bedeutet für die Passage durch das Wurmloch: Man bräuchte zwar enorme Kräfte, um die Integrität des Reisenden aufrechtzuerhalten, aber theoretisch wäre dies möglich. Der Eintritt in ein Wurmloch ist daher – anders als bei einem einzelnen Schwarzen Loch – nicht automatisch gleichbedeutend mit dem Ende der Existenz. Ob allerdings jemals ein Mensch eine solche Reise antreten und überstehen wird, bleibt fraglich. (Classical and Quantum Gravity, 2016; doi: 10.1088/0264-9381/33/11/115007)
(Institute of Astrophysics and Space Science Lisbon, 10.06.2016 – NPO)