Biologie

Mehr Wildkatzen als gedacht

Verwandter unser Hauskatzen kommt in fast allen größeren Wäldern Deutschlands vor

Weiter verbreitet als gedacht: die Europäische Wildkatze Felis silvestris silvestris © Senckenberg/ Steyer

Versteckter Waldbewohner: Wildkatzen sind in Deutschland weiter verbreitet als bisher vermutet. Das belegt eine großangelegte „Volkszählung“ in deutschen Wäldern. Die scheuen Waldbewohner kommen demnach inzwischen fast flächendeckend in den waldreichen Mittelgebirgsregionen Deutschlands vor. Eine weitere gute Nachricht: Eine Hybridisierung der Wildkatzen mit Hauskatzen scheint seltener vorzukommen als bisher befürchtet.

Jahrtausende lang war die Europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) in unseren Wäldern häufig. Doch durch Jagd, Zerstückelung ihres Lebensraums und Krankheiten wurde der scheue Jäger so stark dezimiert, dass die Population in Deutschland 1920 sogar kurz vor der Ausrottung stand. Seither gilt die Wildkatze als sehr selten. Forscher schätzen ihren Bestand in Deutschland auf rund 2.000 bis 5.000 Tiere.

Baldrian als Lockstoff

Unklar blieb dabei jedoch, wo die wenigen verbliebenen Wildkatzen bei uns vorkommen. Eine großangelegte „Volkszählung“ hat dies nun erstmals geklärt- mit überraschenden Ergebnissen. Für ihre Studie mussten Katharina Steyer vom Senckenberg Forschungsinstitut und der Goethe-Universität Frankfurt zu einem Trick greifen, denn die Wildkatzen sind extrem scheu, aber ohne nähere Untersuchung äußerlich nicht von graugetigerten Hauskatzen zu unterscheiden.

„Die tatsächlichen Wildkatzenbestände in Wäldern zu erfassen ist demnach nicht einfach“, erklärt Steyer. Um Probe für die genetische Analyse zu gewinnen, nutzten die Forscher die „Lockstock-Methode“. Dafür werden Stöcke mit Baldrian eingerieben und im Wald aufgestellt. Die Katzen werden durch den Duft angelockt, reiben sich an den Lockstöcken und lassen an der angerauten Oberfläche Haare zurück. Mehr als 6.000 Proben von 2.220 Einzeltieren konnten so für genetische Analysen gewonnen werden.

Eine Wildkatze reibt sich an einem Lockstock und hinterlässt so Haare für eine genetische Untersuchung. © Don Bosco/ Sannerz

Fast in allen größeren Wäldern

Das überraschende Ergebnis: Wildkatzen sind häufiger und vor allem flächendeckender verbreitet, als noch vor wenigen Jahren angenommen wurde. „44 Prozent der von uns bestimmten Wildkatzen-Proben wurden außerhalb des vor Beginn der genetischen Analysen bekannten Verbreitungsgebiets gesammelt“, berichtet Steyer. Demnach gibt es zwischen Südniedersachen und Nordbayern sowie zwischen Eifel im Westen und Thüringer Wald im Osten kaum größere Waldgebiete ohne Wildkatzen.

Auch im Westerwald, Kellerwald und in der Rhön – Gebieten, von denen man noch vor zehn Jahren annahm, dass dort keine Wildkatzen dauerhaft leben – fanden die Biologen klare Hinweise auf reproduzierende Populationen. Auch gänzlich neue Verbreitungsgebiete wie der Kottenforst bei Bonn oder der Arnsberger Wald wurden durch die zahlreichen Proben belegt.

Kaum Vermischung mit Hauskatzen

Und noch etwas Positives ergab die Studie: Die Gefahr für eine Vermischung von Haus- und Wildkatzen scheint geringer als zuvor befürchtet. Von den 2.220 bestimmten Einzeltieren identifizierten die Forscher nur 86 Individuen als Hybridformen zwischen Wild- und Hauskatze. „Nur bei knapp vier Prozent aller untersuchten Wildkatzen fanden wir Spuren von Hauskatzen-DNA, die von Hybridisierungsereignissen stammt“, so die Forscher.

„Gute Nachrichten sind im Naturschutz ja eigentlich selten, daher sollten wir uns über die erstaunliche Wiederausbreitung dieser faszinierenden Art besonders freuen“, sagt Steyer. Trotz des offenbar großen Verbreitungsgebietes bleibt die Wildkatze aber in Deutschland eine seltene Art. Zudem ist noch unklar, ob es heute wirklich mehr Wildkatzen gibt oder ob sie zuvor in einigen Waldgebieten schlicht übersehen wurde.

„Dies wollen wir mit unserem weltweit wohl einmaligen Datensatz zukünftig ergründen. Wir möchten zudem verstehen, wie sich Wildkatzen in unserer Kulturlandschaft fortbewegen und ausbreiten und welche Effekte Barrieren wie Straßen und großräumige Agrarflächen haben“ sagt Koautor Carsten Nowak vom Senckenberg Forschungsinstitut. (Conservation Genetics, 2016 doi: 10.1007/s10592-016-0853-2)

(Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, 22.06.2016 – NPO)

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