Gerade erst entdeckt, schon akut bedroht: Forscher haben in den italienischen Alpen eine bisher unbekannte Vipern-Art entdeckt. Die „Vipera walser“ ähnelt der Kreuzotter, hat aber ein anderes Schuppenmuster um die Augen. Sie kommt nur in einigen Hochtälern des Piemont vor und bevorzugt offene Almweiden. Genau das jedoch könnte ihr künftig zum Verhängnis werden.
Die Entdeckung neuer Arten ist per se nicht ungewöhnlich, in Europa allerdings ist dies ziemlich selten – erst recht bei einem Wirbeltier. Wenn, dann finden Biologen eher neue Insektenarten oder stellen fest, dass sich anderswo heimische Tiere und Pflanzen bei uns ausbreiten, beispielweise begünstigt von milderen Temperaturen oder dem Welthandel.
Anders als alle anderen Vipern
Umso ungewöhnlicher ist der Fund von Samuele Ghielmi vom Wissenschaftsmuseum in Trento und seinen Kollegen: Sie stießen in den Hochtälern nördlich des Ortes Biella im Piemont auf eine bisher unbekannte Schlangenart. Die Vipera walser sieht der eng mit ihr verwandten Kreuzotter sehr ähnlich, am Kopfschild und in der Zahl der Schuppen um ihre Augen herum unterscheidet sie sich jedoch, wie die Forscher berichten.
Endgültig Klarheit gaben genetische Analysen: Sie enthüllten, dass sich Vipera walser sowohl von der Kreuzotter als auch von anderen Vipern in Westeuropa genetisch deutlich unterscheidet. Zudem zeigte sich, dass diese Schlangenart in der Vergangenheit einen Flaschenhals erlebte: Ihre Population muss zeitweise auf nur noch wenige Individuen zusammengeschrumpft sein, so Ghielmi und seine Kollegen.
Stark gefährdet
Ähnliches könnte der neuentdeckten Viper bald erneut bevorstehen, wie die Forscher erklären. Denn die Schlange kommt nur in einem kleinen Gebiet von weniger als 500 Quadratkilometern Größe vor und sie hat relativ spezifische Anforderungen an ihren Lebensraum: Die Art bewohnt bevorzugt offene, von Felsen durchzogene Flächen und scheint Waldgebiete zu meiden.
In der Vergangenheit war dies ein Vorteil: Vipera walser profitierte wahrscheinlich von der Ausdehnung von Weiden und Heidelandschaften, wie sie in den Alpen bis ins 19. Jahrhundert stattgefunden hat. Doch der Rückgang der Alm-Viehhaltung in den letzten hundert Jahren und die damit verbundene Zunahme von Waldflächen im Alpenraum gefährdet nun jedoch den Lebensraum der Viper.
Für die neuentdeckte Schlangenart bedeutet dies: Sie ist unmittelbar bedroht. Die Wissenschaftler empfehlen deshalb, die Vipera walser als gefährdete Art einzustufen. Detaillierte Untersuchungen zu den genauen Anforderungen an den Lebensraum sollen nun zeigen, wie historische und gegenwärtige Veränderungen der Landnutzung die Art tangieren und wie diese so gestaltet werden könnte, dass die neuentdeckte Spezies geschützt werden kann. (Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research, 2016; doi: 10.1111/jzs.12138)
(Universität Basel, 08.07.2016 – NPO)