Geowissen

Tauziehen der Kontinente

Erdteile brechen in zwei Geschwindigkeitsphasen auseinander

Erst langsam, dann schnell: In wenigen Millionen Jahren stieg die Geschwindigkeit Südamerikas bei der Trennung von Afrika von sieben auf 40 Millimeter pro Jahr. © S. Brune/ GFZ

Bis der Strick reißt: Die Trennung von Kontinenten läuft offensichtlich immer nach demselben Muster ab. Wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten, bewegen sich die Platten zunächst nur langsam auseinander. Doch beim eigentlichen Zerreißen der Erdteile geht es plötzlich rasant zu. Denn ist die Verbindung schwach genug, reicht schon wenig Kraft, um die Kontinente vollständig voneinander zu trennen – ähnlich wie bei einem Seilriss beim Tauziehen.

Die Entstehungsgeschichte der Kontinente, wie wir sie heute kennen, begann vor Hunderten von Millionen Jahren. Damals brach der Urkontinent Pangaea auseinander. Aus seinen Hauptbruchstücken Gondwana und Laurasia entstanden schließlich die aktuellen Kontinente, die sich mit Geschwindigkeiten von 20 bis 80 Millimetern pro Jahr bewegen und die heutige Plattentektonik charakterisieren.

Doch wie lief das Auseinanderbrechen der Superkontinente ab? Diese Frage ist wissenschaftlich noch immer nicht vollständig geklärt. Forscher um Sascha Brune vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam liefern nun jedoch eine Antwort. Sie haben die Mechanismen entschlüsselt, die einer Trennung von Erdteilen in der Vergangenheit typischerweise zugrunde lagen.

Trennung in zwei Phasen

Gemeinsam mit Kollegen von der Universität Sydney untersuchte Brune dafür eine Vielzahl von Kontinentbruchstellen, sogenannte Riftzonen. Die Forscher analysierten das seismische Profil dieser Zonen, um zu erkennen, wo und wie die Kontinente beim Trennungsprozess gedehnt worden waren. Computersimulationen halfen ihnen dann, den zeitlichen Ablauf dieses Geschehens zu rekonstruieren.

Die Ergebnisse zeigen: Das Auseinanderbrechen verlief bei allen untersuchten Riftzonen nach dem gleichen Zwei-Phasenmodell ab. Zunächst dehnten sich die Kontinente langsam, doch beim Einsetzen des Zerreißens bewegten sie sich plötzlich sehr schnell auseinander. „Am dramatischsten war das bei der Trennung von Nordamerika und Afrika“, berichtet Brune. „Vor 240 Millionen Jahren begann das Auseinanderdriften zunächst ganz langsam mit nur einem Millimeter pro Jahr.“ Vor 200 Millionen Jahren dann habe sich dieser Prozess um das 20-fache beschleunigt.

Bis der Strick reißt

Die Stärke der Riftzone nimmt während der Dehnung abrupt ab - wie bei einem zerreißenden Seil. © S. Brune/ G. Schwalbe/ S. Riedl/ GFZ

Warum die Platten plötzlich eine so hohe Geschwindigkeit erreichen und nach geologischer Zeitmessung quasi von jetzt auf gleich zerbrechen, lässt sich mithilfe einer einfachen Analogie erklären: „Man muss sich das vorstellen wie einen Seilriss beim Tauziehen“, sagt Brune. „Das Seil beginnt erst sehr langsam und unmerklich zu reißen, aber der Riss der letzten Seilfasern geht dann sehr plötzlich.“

Die zweite Phase des Rifting setzt demnach ein, wenn die Verbindung der Erdteile schwach genug geworden ist. Schon wenig Kraft reicht dann aus, um sie vollständig voneinander zu trennen – genau wie bei einem Seil, das nur noch wenige Fasern an der Reißstelle zusammenhalten.

Beschleunigung prägt Kontinentränder

Interessant ist den Wissenschaftlern zufolge, dass die Beschleunigung typischerweise etwa zehn Millionen Jahre vor dem eigentlichen Zerreißen der Kontinente einsetzte – sei es bei der Trennung von Australien und Antarktika, Nordamerika und Grönland, Afrika und Südamerika, im Nordatlantik oder im Südchinesischen Meer.

Deswegen sind die neu entstandenen Kontinentränder entscheidend durch beide Geschwindigkeitsphasen geprägt: Zuerst entstanden bei langsamer Dehnung die Schelfregionen, die sich heute in Küstennähe unter dem Meeresspiegel befinden. Die weiter außenliegenden Teile des Kontinentrandes sind von der schnellen Riftgeschwindgkeit gezeichnet: Sie wurden mit großen Verwerfungen und stärkerem Vulkanismus gebildet und finden sich im küstenferneren, tiefen Ozean. „Diese Kontinentalschelfe spielen eine wichtige Rolle für viele biogeochemische Prozesse wie zum Beispiel Nährstoffkreisläufe“, sagt Brune.

Konsequenzen für die Theorie der Plattentektonik

Mit ihrem Zwei-Phasenmodell liefern die Forscher einen wichtigen Beitrag für die Theorie der Plattentektonik: So sind die heutigen Bewegungen der tektonischen Platten zwar durch das Abtauchen sowie die Kollision von Platten und vor allem durch die Strömungen des tiefen Erdmantels dominiert.

Während des Auseinanderbrechens aber spielen diese Prozesse im Erdinnern offensichtlich keine vorrangige Rolle – gesteuert wird das Tempo der

Plattentrennung dann hauptsächlich durch die Schwächung des Kontinents selbst. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature18319)

(Deutsches GeoForschungsZentrum, 19.07.2016 – DAL)

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