Weltraum-Missionen mit Nachspiel: Bei früheren Apollo-Astronauten haben Forscher eine auffällige Häufung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen festgestellt. Bei ihnen gab es viermal so viele Todesfälle durch Herzinfarkt oder Schlaganfall wie bei Astronauten, die nur im niedrigen Erdorbit oder gar nicht im All unterwegs waren. Die kosmische Strahlung im tiefen Weltraum könnte demnach gesundheitsschädlicher sein als bisher angenommen, so die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“.
Bisher ist der Mensch bei der bemannten Erkundung des Weltalls nicht sehr weit gekommen: Erst 30 Astronauten haben den Erdorbit und damit den schützenden Schild der irdischen Magnetosphäre verlassen. Auf ihren Flügen zum Mond im Rahmen der Apollo-Missionen waren sie der harten kosmischen Strahlung und dem Sonnenwind über mehrere Tage hinweg nahezu ungefiltert ausgesetzt.
Wie gefährlich ist die kosmische Strahlung?
Aus Studien mit Mäusen und Ratten weiß man, dass ein solches Bombardement mit energiereichen Teilchen schwere Schäden in den Zellen und am Erbgut von Lebewesen anrichten kann. So zeigten Mäuse nach drei Wochen Bestrahlung mit energiereichen Ionen Schäden an ihren Gehirnzellen und Anzeichen für Demenz, andere entwickelten Schäden an den Gefäßwänden.
Welche Folgen jedoch Aufenthalte im tiefen All für die Gesundheit von menschlichen Astronauten haben, wurde bisher kaum untersucht – auch mangels Gelegenheit. Doch nun drängt die Zeit. Denn die NASA und weitere Raumfahrtagenturen haben für die nahe Zukunft erstmals wieder bemannte Missionen außerhalb des Erdorbits geplant. Sie wollen bis 2030 erneut Astronauten zum Mond zu schicken und bald darauf den ersten bemannten Marsflug anpeilen.
Apollo-Astronauten als Testobjekte
„Wir wissen sehr wenig über die Auswirkungen der kosmischen Strahlung auf die menschliche Gesundheit und vor allem das Herz-Kreislauf-System“, erklärt Erstautor Michael Delp von der Florida State University. „Man nahm aber an, dass zumindest Missionen in den niedrigen Erdorbit oder kurze Exkursionen zum Mond das langfristige Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht erhöhen“, erklärt Michael Delp von der Florida State University.
Ob das wirklich stimmt, haben er und seine Kollegen nun erstmals an denen untersucht, die es wissen müssen – den Apollo-Astronauten. Für ihre Studie verglichen sie erstmals Todesursachen und Gesundheit von sieben gestorbenen Apollo-Astronauten mit der von verstorbenen 35 Astronauten, die nur auf Missionen im niedrigen Erdorbit (LEO) gewesen waren und 35 Mitgliedern des US-Astronautencorps, die es nie in den Weltraum geschafft hatten.
Viermal so viele Herz-Kreislauf-Tote
Das Ergebnis: Zwischen den Astronauten im niedrigen Erdorbit und den nicht geflogenen Astronauten gab es keine signifikanten Unterschiede. Wohl aber zu den Apollo-Astronauten: 43 Prozent von ihnen waren an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung gestorben – das ist fast doppelt so viel wie in der US-Bevölkerung und sogar viermal so viel wie bei den LEO-Astronauten, wie die Forscher berichten.
Diese hohe Rate an Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist auch deshalb auffällig, weil Astronauten normalerweise eine besonders fitte und gesunde Bevölkerungsgruppe darstellen: „Astronauten haben ein höheres Einkommen, sowie eine bessere Bildung, Gesundheitsversorgung und körperliche Fitness als die breite Masse“, erklären Delp und seine Kollegen. „All dies sind normalerweise Faktoren, die zur Gesundheit beitragen.“
Bombardement mit schweren Ionen
Nach Ansicht der Forscher ist die Weltraum-Erfahrung der Apollo-Astronauten schuld an ihren überraschend hohen Krankheitsraten. Sie vermuten, dass das Bombardement mit energiereichen schweren Ionen der kosmischen Strahlung bei den Astronauten Schäden am Gefäßsystem verursachte, die dann Jahrzehnte später zu einer tödlichen Herz-Kreislauf-Erkrankung führten.
Dass die Apollo-Astronauten auf ihrem Flug von zahlreichen solcher Ionen getroffen wurden, belegen ihre eigenen Erzählungen: „Die Astronauten berichteten von Lichtblitzen, die sie im dunklen Raumschiff zu sehen glaubten“, sagt Delp. Im Durchschnitt seien es 17 solcher Blitze pro Stunde gewesen. „Spätere Tests deuten darauf hin, dass diese Blitze von energiereichen Schwerionen verursacht wurden, die durch die Netzhaut der Astronauten flogen.“
Schädlicher als gedacht
„Unsere Daten sprechen dafür, dass die Reise des Menschen in das tiefe All schädlicher für die Gefäßgesundheit sein könnte als bisher angenommen“, konstatieren Delp und seine Kollegen. Dies bestätigte sich auch in begleitenden Versuchen mit Mäusen: Wurden diese einer einmaligen kurzen Bestrahlung durch energiereiche Eisenionen ausgesetzt, erwiesen sich ihre Blutgefäße sechs Monate später als signifikant weniger dehnbar und flexibel als die von Kontrolltieren.
Das Interessante daran: Geht man nur nach den offiziellen Messwerten und Schätzungen, waren die Apollo-Astronauten kaum höheren Strahlenbelastungen ausgesetzt als ihre Kollegen im Erdorbit. Doch wie die Forscher erklären, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Strahlung im Erdorbit anders zusammengesetzt ist als die im freien All – auch, weil Magnetfeld und Van-Allen-Gürtel nur bestimmte Teilchen durchlassen.
Sollten weiter Studien diese Ergebnisse bestätigen, wären dies für die bemannten Mond- und Marsflüge der näheren Zukunft keine guten Nachrichten. Zumindest aber bestätigt dies, dass eine möglichst gute Abschirmung gegen die kosmische Strahlung überlebenswichtig sein könnte. Um ihre Resultate zu erhärten, wollen die Wissenschaftler nun zusammen mit der NASA auch die Gesundheit der noch lebenden Apollo-Astronauten näher untersuchen. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep29901)
(Florida State University, 29.07.2016 – NPO)