Medizin

Ältester Krebsfall der Menschheitsgeschichte entdeckt

Vormenschen vor zwei Millionen Jahre litten schon an Knochentumoren

Bisher ältester Knochenkrebs: Bösartige Wucherung am 1,7 Millionen Jahre alten Mittelfußknochen eines Vormenschen. © Patrick Randolph-Quinney/ UCLAN

So alt wie die Menschheit: Forscher haben den bisher ältesten Krebsfall und den ältesten Tumor der Menschheitsgeschichte entdeckt. Schon vor zwei Millionen Jahren litt demnach ein Junge der Vormenschenart Australopithecus sediba unter einem gutartigen, aber schmerzhaften Tumor in einem Wirbelknochen, wie sein Fossil zeigt. Ein anderer Vormensch war vor rund 1,7 Millionen Jahren an einem aggressiven Knochenkrebs im Fuß erkrankt.

Krebs, aber auch viele gutartige Tumore gelten oft als typische Folgen unserer modernen Lebensweise und der längeren Lebensdauer. Unserer urzeitlichen Vorfahren, so die gängige Annahme, litten daher weit seltener an krankhaften Wucherungen – auch weil sie starben, bevor sich solche Tumore manifestieren konnten.

Gerade in jüngster Zeit jedoch haben Archäologen einige Funde gemacht, die dem widersprechen. Sie entdeckten Leukämiespuren an den Knochen einer Bäuerin aus der Jungsteinzeit und den 120.000 Jahre alten Rippenknochen eines Neandertalers, der an einem Knochentumor litt. Die von der Wucherung verursachten Läsionen waren bisher der älteste Nachweis für eine Tumorerkrankung in der Menschheitsgeschichte.

Tumore schon bei Vormenschen

Jetzt jedoch belegen zwei Entdeckungen von Patrick Randolph-Quinney von der University of the Witwatersrand in Johannesburg und seine Kollegen, dass es sowohl Krebs als auch gutartige Knochentumoren schon weitaus früher gab. Denn schon der vor zwei Millionen Jahren lebende Vormensch Australopithecus sediba litt an einem gutartigen Knochentumor, ein 1,7 Millionen Jahre alter weiterer Hominide war an bösartigem Knochenkrebs erkrankt.

Gutartiger Knochentumor im zwei Millionen Jahre alten Brustwirbel eines Australopithecus sediba-Kindes © Paul Tafforeau/ESRF

Den Knochentumor des Australopithecus sediba entdeckten die Forscher in einem Wirbelknochen eines etwa zwölfjährigen Kindes, dessen Skelett sie aus der Malapa-Höhle nordwestlich von Johannesburg geborgen hatten. Als sie den Knochen mit Hilfe eines speziellen Röntgen-Mikrotomografen durchleuchteten, fiel ihnen eine auffällige Knochenveränderung am rechten hinteren Wirbelfortsatz auf.

Sediba-Kind mit Wirbelwucherung

Nähere Analysen ergaben, dass es sich um einen gutartigen, aber wahrscheinlich dennoch schmerzhaften Knochentumor handelte. „Diese neoplastische Läsion war chronisch und zum Todeszeitpunkt des Kindes noch aktiv“, berichten die Forscher. Durch seine Lage im Brustwirbel müsse die Knochenzerstörende Wucherung dem Jungen beträchtliche Schmerzen bei Bewegungen der Schulter und des oberen Rückens bereitet haben.

„Die Präsenz eines gutartigen Tumors bei Australopithecus sediba ist faszinierend“, sagt Randolph-Quinney. „Nicht nur, weil wir sie im Rücken gefunden haben, was heute für diese Erkrankung eine sehr seltene Stelle ist, sondern auch, weil ein Kind daran erkrankte. Dies ist der erste Beleg in der gesamten Menschheitsgeschichte für einen solchen Tumor bei einem Kind.“ Und es ist der früheste Fall einer Tumorerkrankung bei einem Hominiden überhaupt.

Die Wucherung am Fußkncohen hat die typisch blumenkohlartige Form eines bösartigen Osteosarkoms © Edward Odes/ University of the Witwatersrand

Ältester bekannter Krebsfall

Ebenfalls ein historischer Erstfall ist der bösartige Knochentumor, den die Forscher im Fuß eines 1,7 Millionen Jahre alten, nicht näher bestimmten Vormenschen entdeckten. Die Mikrotomografie enthüllte eine knollige, blumenkohlartige Wucherung an einem Mittelfußknochen des bei Ausgrabungen in Swartkrans gefundenen Fossils.

Die Forscher identifizierten diese Wucherung als Osteosarkom, eine aggressive Form des Knochenkrebses, die häufig bei jüngeren Menschen auftritt und unbehandelt schnell zu Tode führt. Dieser Fund ist damit der älteste bekannte Beleg für eine Krebserkrankung in der Menschheitsgeschichte.

„Wir wissen nicht, ob dieser Fuß zu einem Kind oder Erwachsenen gehörte oder ob er den Tod dieses Vormenschen verursachte“, sagt Koautor Bernhard Zipfel von der University of the Witwatersrand. „Aber wir können sagen, dass der Krebs schmerzhaft war und diesen Menschen beim Laufen und Rennen beeinträchtigt haben muss.“

Krankheit mit uralten Wurzeln

„Die moderne Medizin nimmt gerne an, das Krebs und Tumoren beim Menschen Krankheiten sind, die durch die moderne Lebensweise und Umwelt verursacht werden“, sagt Edward Odes von der University of the Witwatersrand. „Unsere Studien zeigen, dass die Ursprünge dieser Krankheiten bei unseren urzeitlichen Vorfahren liegen – Millionen Jahre bevor es modere Industriegesellschaften gab.“

Gleichzeitig demonstrieren die Funde, dass Tumorerkrankungen schon früher auch bei jüngeren Menschen auftraten. „Die Geschichte der Krebserkrankungen und Tumore ist demnach eindeutig komplexer als man bisher angenommen hat“, erklärt der Anthropologe Lee Berger von der University of the Witwatersrand, der bei beiden Funden federführend war. (South African Journal of Science, 2016; doi: 10.17159/sajs.2016/20150471)

(University of the Witwatersrand, 01.08.2016 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Neandertaler - Neue Erkenntnisse über unsere Steinzeit-Cousins

Bücher zum Thema

Karies, Pest und Knochenbrüche - Was Skelette über Leben und Sterben in alter Zeit verraten Von Joachim Wahl und Albert Zink

Die Welt des Neandertalers - Von den Ursprüngen des Menschen von Juan L. Arsuaga

Die Ursprünge der Menschheit - von Fiorenzo Facchini

Das Rätsel der Menschwerdung - von Josef H. Reichholf

Top-Clicks der Woche