Verräterisches Zittern: Bestimmte Stürme bringen die Erde so zum Schwingen, dass ihr Signal die Erde gewissermaßen durchleuchtet. Denn diese „Wetterbomben“ lösen seismische Wellen aus, die fast das gesamte Erdinnere durchlaufen. Das haben Forscher entdeckt, als sie die Signale eines Sturms über dem Nordatlantik in Japan registrierten. Diese Sturmwellen bieten Geoforschern damit ein weiteres Werkzeug, um das Erdinnere zu erforschen.
Unsere Erde „brummt“: Feine Schwingungen durchziehen unsere Planeten nahezu ununterbrochen. Verantwortlich dafür sind jedoch keine Erdbeben oder anderen geologischen Phänomene, sondern die Ozeane. Bei starkem Wellengang, durch den Wechsel der Gezeiten oder die Brandung überträgt sich ein Teil der Energie aus dem Wasser auf den Meeresgrund. Im Gestein pflanzt sich diese Energie in Form von feinen seismischen Erschütterungen fort. Sensible Seismometer registrieren dieses seismische „Brummen“ als eine Art diffuses Hintergrundrauschen.
Stürme als Bebenmacher
Es gibt jedoch Ereignisse, die dieses Rauschen anschwellen lassen. Besonders deutlich und anhaltend geschieht dies bei starken Stürmen über dem Meer. So verursachte der Hurrikan Sandy im Herbst 2012 in ganz Nordamerika einen tagelangen Anstieg der Bebenwellen. Oft jedoch ist das Signal solcher Stürme zu diffus und zu unvollständig, um ausgewertet zu werden.
Doch es gibt Stürme, bei denen dies anders ist: die sogenannten „Wetterbomben“. Bei solchen Tiefdruckgebieten fällt der Luftdruck im Zentrum ungewöhnlich schnell, so dass sie sich „explosiv“ entwickeln. Am häufigsten bilden sich diese oft kleinen, aber heftigen Sturmtiefs im Winterhalbjahr über den Meeren – und genau das macht sie zu ganz besonderen Bebengeneratoren.
Wetterbombe am anderen Ende der Welt
Entdeckt haben dies Kiwamu Nishida von der Universität Tokio und sein Kollege Ryota Takagi, als sie seismische Daten eines japanischen Seismometer-Netzwerks auswerteten. In den Daten vom Dezember 2014 stießen sie auf eine Auffälligkeit: Langsame Wellen, die mit 0,05 Sekunden pro Kilometer und ziemlich senkrecht von unten in Japan eintrafen. „Das Tempo und der Winkel sprachen dafür, dass der Ursprung dieser Wellen im Atlantischen Ozean lag“, so die Forscher.
Eine Recherche ergab: Just zu der Zeit, als die Wellen im Nordatlantik starteten, hatte sich dort zwischen Grönland und Island eine Wetterbombe gebildet. „Dieses Sturmsystem war ein typisches Beispiel für eine explosive Zyklogenese, bei der der Luftdruck innerhalb von 24 Stunden um mehr als 24 Hektopascal absinkt“, berichten die Wissenschaftler.
Sturmzittern zum „Röntgen“ der Erde
Das Spannende daran: Im Gegensatz zu den Bebensignalen vieler anderer Stürme ließen sich die Bebenwellen der Wetterbombe sehr klar orten und zurückverfolgen. Zudem breiteten sich sowohl die Primärwellen (P-Wellen) als auch die Sekundärwellen bis nach Japan hin aus, wie die Forscher berichten. Dadurch konnten sie rekonstruieren, wo und wie verschiedene Erdschichten den Verlauf, das Tempo und die Intensität der Wellen beeinflusst hatten.
Das belegt, dass solche Stürme als Werkzeug dienen können, um die Erde zu durchleuchten – und dies anders als mit normalen Erdbebenwellen. Denn die von den Wetterbomben erzeugten Schwingungen haben andere Frequenzen und reagieren daher auf andere Eigenschaften des Gesteins im Erdinneren. Ähnlich wie ein zusätzliches Sonar erweitern diese feinen Wellen daher den Blick der Forscher.
Umgekehrt aber belegt die Studie der Japaner, dass sich die seismischen Wellen solcher Wetterbomben dazu eignen, den Verlauf und Pfad solcher Stürme mitzuverfolgen – sozusagen als Wetterradar mit Umweg über das Erdinnere. (Science, 2016; doi: 10.1126/science.aaf7573)
(AAAS, 29.08.2016 – NPO)