Gerade erst geboren und trotzdem schon ungewöhnlich alt: Kinder von Müttern mit Übergewicht haben von Geburt an eine schlechtere Chance, länger zu leben. Denn ihre Chromosomen tragen kürzere Endkappen als die von Nachkommen normalgewichtiger Mütter. Pro zusätzlichem BMI-Punkt der Mutter schrumpfen diese Telomere beim Kind um rund 50 Basenpaare. Das macht sie aus molekularer Sicht älter – und bringt ihnen womöglich langfristige Gesundheitsnachteile.
Jedes Mal, wenn eine Zelle ihr Erbgut kopiert um sich zu teilen, werden die Endkappen der Chromosomen ein wenig kürzer. Diese sogenannten Telomere schrumpfen dadurch im Laufe des Lebens eines Menschen kontinuierlich. Rund 32 bis 46 Basenpaare verlieren wir als Erwachsene auf diese Weise im Schnitt pro Jahr. Stress und andere Faktoren können diesen Prozess jedoch beschleunigen.
Je kürzer die Endstücke werden, desto höher ist das Risiko für altersbedingte Erkrankungen. Denn die Telomere schützen die DNA bei der Zellteilung vor Schäden. Sind sie zu kurz, können die Zellen sich nicht mehr teilen, der Organismus altert und stirbt schließlich.
Eltern vererben Langlebigkeit
Wie oft sich unsere Zellen teilen können, bevor der Schutz der Kappen versagt, das bestimmen auch unsere Eltern mit. So zeigen Studien zum Beispiel, dass die Chromosomen von Kindern älterer Väter längere Endkappen tragen als die von sehr jungen. Wissenschaftler um Dries Martens von der Universität Hasselt haben nun untersucht, ob womöglich auch das Körpergewicht der Eltern einen Einfluss auf die Länge der Telomere hat.
Für ihre Studie untersuchten die Forscher 743 Mütter im Alter zwischen 17 und 44 Jahren und deren Neugeborene. Sie befragten die zukünftigen Mütter über ihren sozioökonomischen Hintergrund sowie gesundheitsrelevante Verhaltensweisen und berechneten deren Body-Mass-Index (BMI) vor der Schwangerschaft. Um die durchschnittliche Endkappenlänge bei den Babys zu messen, entnahmen Martens und seine Kollegen ihnen direkt nach der Geburt Nabelschnurblut.
Jedes Pfund zuviel verkürzt die Telomere
Die Ergebnisse zeigten, dass es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dem BMI der Mutter und der Länge der Telomere ihrer Nachkommen zu geben scheint: Mit jedem zusätzlichen BMI-Punkt schrumpften die Endkappen um rund fünfzig Basenpaare. Sprich: Je höher das Körpergewicht der Mütter im Vergleich zu ihrer Körpergröße war, desto kürzere Telomere hatten die Chromosomen ihrer Babys.
Die Verkürzung um fünfzig Basenpaare pro BMI-Punkt entspricht den Wissenschaftlern zufolge etwa der Länge, die Erwachsene normalerweise innerhalb von 1,1 bis 1,6 Jahren verlieren. „Im Vergleich zu den Nachkommen von Müttern mit einem normalen BMI sind die Neugeborenen von Müttern mit Übergewicht damit auf molekularer Ebene älter“, sagt Martens Kollege Tim Nawrot. „Denn verkürzte Telomere bedeuten, dass die Zellen eine geringere Lebensspanne haben.“
Gesundes Gewicht, gesunde Entwicklung
Dass sich andere Faktoren wie das Alter der Mütter auf die Telomerenlänge ausgewirkt haben könnten, hat das Team nach eigenen Angaben ausgeschlossen. „Unsere Studie liefert damit den ersten Beleg für einen Zusammenhang zwischen dem elterlichen BMI und der Endkappenlänge von Neugeborenen“, so Nawrot.
Damit verdichten sich den Forschern zufolge die Hinweise darauf, dass der mütterliche BMI auf die Entwicklung des Fötus einen erheblichen Einfluss hat. „Diese fötale Umprogrammierung könnte die Gesundheit der Kinder im Verlauf ihres Lebens beeinflussen und zum Beispiel das Risiko für chronische Erkrankungen im Erwachsenenalter erhöhen“, sagt das Team. Für Frauen mit Kinderwunsch bedeutet das: Um ihren Nachkommen ein langes Leben zu ermöglichen, sollten sie vor allem in der Schwangerschaft ein gesundes Körpergewicht halten. (BMC Medicine, 2016; doi: 10.1186/s12916-016-0689-0)
(BioMed Central, 18.10.2016 – DAL)