Ferner Störenfried: Ein neunter Planet im Sonnensystem könnte ein astronomisches Rätsel lösen. Denn bisher war unklar, warum die Sonne gegenüber den Planetenbahnen um sechs Grad geneigt ist. Gäbe es jedoch den bisher nur theoretisch postulierten „Planet 9“, dann könnte er für diese Diskrepanz verantwortlich sein – glauben zumindest drei US-Forscher. Wie sie ausrechneten, hätte sein Schwerkrafteinfluss ausgereicht, um die Abweichungen hervorzurufen.
Im Sonnensystem kreisen nahezu alle Planeten auf einer Ebene, ihre Umlaufbahnen weichen nur um rund ein Grad davon ab. Die Erklärung dafür ist relativ simpel: Weil alle Planeten einst aus einer flachen, rotierenden Urwolke entstanden, behielten sie deren Ausrichtung weitgehend bei.
Rätselhafte Diskrepanz
Doch unsere Sonne weicht seltsamerweise ab: Ihr Äquator ist gegenüber der Planetenebene um sechs Grad gekippt. Warum, blieb bisher rätselhaft. „Das ist ein so tieferverwurzeltes Mysterium und so schwer zu erklären, dass man einfach nicht darüber spricht“, erklärt der Planetenforscher Michael Brown vom California Institute of Technology (Caltech). Dennoch hat man inzwischen ähnliche Abweichungen auch bei anderen Sternen gefunden.
Um diese Diskrepanzen zu erklären, diskutieren Astronomen einige Theorien, darunter Störeinflüsse von Nachbarsternen, Magnetfeld-Wechselwirkungen innerhalb der Urwolke oder eine asymmetrische Massenverteilung im protostellaren Kern der Sonne. Bisher allerdings gibt es keine Indizien dafür, dass einer dieser Mechanismen auf die Sonne und ihre Planeten passen könnte.
Ist Planet 9 schuld?
Jetzt liefern Brown und seine Kollegen eine weitere mögliche Erklärung für die Abweichungen zwischen Sonnenachse und Planetenebene: Planet 9 ist schuld. Dieser bisher nur theoretisch postulierte neunte Planet unseres Sonnensystems könnte etwa zehnfach größer sein als die Erde und die Sonne in einem um 30 Grad gekippten, stark asymmetrischen Orbit umkreisen – so er denn existiert.
Und genau an diesem Orbit setzt die Theorie von Brown und seinen Kollegen an: Ihren Berechnungen nach könnte Planet 9 wegen seiner großen Masse schon von Beginn des Sonnensystems an einen Schwerkrafteinfluss auf Sonne und Planeten ausgeübt haben. Immer dann, wenn er in seiner Bahn relativ sonnennah ist, könnte er dem System sozusagen einen kleinen Schubs verpassen.
Langsam aus der Ausrichtung gedrängt
„Weil Planet 9 so massereich ist und eine im Vergleich zu den anderen Planeten stark geneigte Bahn hat, kann das Sonnensystem gar nicht anders als langsam aus seiner exakten Ausrichtung zu driften“, erklärt Browns Kollegin Elizabeth Bailey. „Die Existenz von Planet 9 liefert damit eine konkrete Erklärung für die Diskrepanzen im Sonnensystem.“
Die Berechnungen ergaben, dass ein Planet im Bereich des Kuipergürtels und mit rund zehn bis 20 Erdmassen durchaus die heute beobachteten sechs Grad Abweichung der Sonnenachse hervorgerufen haben könnte. „Das ist wirklich erstaunlich: Planet 9 erklärt jedes Mal aufs Neue etwas am Sonnensystem, das lange rätselhaft war“, sagt Koautor Konstantin Batygin vom Caltech.
Gleichzeitig tragen die Ergebnisse nach Ansicht der Astronomen dazu bei, die bisher theoretisch postulierten Merkmale von Planet 9 – eine Masse von fünf bis 20 Erdmassen und einen Orbit mit einer Halbachse von rund 250 astronomischen Einheiten – zu bestätigen. (Astrophysical Journal, in press; arXiv:1607.03963)
(Europlanet Media Centre, 21.10.2016 – NPO)