
Foto des Erstflugs von Orville Wright am 17. Dezember 1903 am Strand von Kitty Hawk. © US Library of Congress
Weißkopf: Zeitungsberichte als Belege
Als Beleg für Weißkopfs Erstflug gab es lange Zeit nur einen Bericht in einer zeitgenössischen Lokalzeitung, außerdem die Aussagen von Zeugen – die allerdings erst 30 Jahre später befragt wurden. Deshalb wurde Weißkopfs Erstflug von vielen Experten bezweifelt. Hinzu kommt, dass der Flugpionier im Gegensatz zu den Gebrüdern Wright seine Fluggeräte und Experimente kaum dokumentiert hat und widersprüchliche Angaben über seine Erfolge machte.
2014 jedoch entdeckte der Luftfahrt-Historiker John Brown vom Smithsonian National Air and Space Museum zwei weitere zeitgenössische Artikel aus einer zweiten Lokalzeitung. Seine Angaben nach sollen bis Ende 1901 weltweit mindestens 274 Zeitungsberichte über Weißkopfs ersten Motorflug erschienen sein. Einen Fotobeweis gibt es aber dennoch nicht.
Im Jahr 1998 schaffte es ein Nachbau von Weißkopfs Fluggerät zwar abzuheben, aber dieser vermeintliche Beweis hat einen Haken: Weil es kaum Angaben zu Weißkopfs Motor gibt, war dieser Nachbau mit einem modernen Motor und einem anderen Propeller ausgestattet. Nach Ansicht von Luftfahrt-Experten sagt er daher nur wenig darüber aus, ob Weißkopfs erster Motorflieger im Jahr 1901 wirklich geflogen sein kann.

Numerische Strömungssimulation des Propellers von Gustav Weißkopfs erstem Fluggerät © Hochschule Coburg
Schub und Propeller im Test
Seither sind die Fronten im Streit um den ersten Motorflug verhärtet- und spalten sogar die Experten des National Air and Space Museum in Washington. Um mehr Licht in die Sache zu bringen, haben nun Experten des Deutschen Museums und der Hochschule Coburg die Technik von Weißkopfs Fluggerät noch einmal genau überprüft.
Auf Basis der Angaben aus den Presseberichten von 1901 und einer originalgetreuen Nachbildung eines Propellers von Weißkopfs Flugzeug berechneten Philipp Epple und Peter Hanickel die Antriebsleistung von Motor und Propeller. Daraus ermittelten sie, ob bei der angegebenen Propellerdrehzahl von 650 bis 750 Umdrehungen pro Minute der notwendige Schub für den Abflug erreicht worden sein kann.
„Nicht flugtauglich“
Das Ergebnis: Weißkopfs Propeller hätte nicht genügend Schub erzeugen können, um das Fluggerät abheben zu lassen. “ Die Zahlen sind physikalisch nicht haltbar“, berichtet Epple. Dies bestätigte auch eine numerische Strömungssimulation. Sie ergab ebenfalls, dass Weißkopfs Konstruktion mit diesem Propeller nicht flugtauglich gewesen sein kann.
Die Untersuchung der Aerodynamik lieferte ein ähnliches Ergebnis. Die Flügel von Weißkopfs Flugzeug orientierten sich an dem Gleitflieger von Otto Lilienthal. Im Gegensatz zu diesem verzichtete Weißkopf aber darauf, die Flügel mit Querstreben zu verstärken. Als Folge müssen sich die Flügel beim Start zusammengefaltet haben und die Aerodynamik verschlechterte sich, wie die Experten berichten.
Zumindest aus technischer Sicht spricht daher einiges gegen einen ersten Motorflug durch Gustav Weißkopf. Ob er es irgendwie trotzdem geschafft haben könnte und wie die damaligen Presseberichte zustande kamen, bleibt weiterhin offen. Seine Leistung als Flugpionier bleibt aber unbestritten. „Zum Fortschritt der Luftfahrt hat er viel beigetragen“, sagt Epple.
(Hochschule Coburg, 05.12.2016 – NPO)
5. Dezember 2016