Rätsel gelöst: Seit Jahren rätseln Planetenforscher darüber, wie lange die Urwolke unseres Sonnensystems existierte. Jetzt haben vier Meteoriten die entscheidenden Informationen geliefert. Ihre Magnetisierung verrät, dass sich der protoplanetare Gasnebel knapp vier Millionen Jahre nach Entstehung wieder auflöste, wie Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten. Das wiederum gibt wertvolle Einblicke in die Abläufe, die unser Sonnensystem prägten.
Unsere Sonne und unser Planetensystem bildeten sich vor rund 4,6 Milliarden Jahren in einer rotierenden Wolke aus Staub und Gas – so viel ist klar. Der dichte Gasnebel lieferte Jupiter und Saturn den Baustoff, um zu Gasriesen heranzuwachsen. Astronomen vermuten zudem, dass Turbulenzen in der Urwolke für die Wanderung des Jupiter in seine heutige Bahn verantwortlich sind – ein Ereignis, dass auch die junge Erde entscheidend beeinflusst haben könnte.
Doch wie lange gab es die Urwolke und damit die Voraussetzungen für diese Ereignisse? Diese Frage ließen sich bisher nur grob beantworten. „Astronomische Beobachtungen von jungen sonnenähnlichen Sternen zeigen, dass die Hälfte der protoplanetaren Scheiben sich irgendwann zwischen zwei und sechs Millionen Jahren nach Entstehung auflöst“, berichten Huapei Wang vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und seine Kollegen. „Doch wann dies bei unserem Sonnensystem der Fall war, blieb unbekannt.“
4,563 Milliarden Jahre alte Zeitzeugen
Antworten liefern nun jedoch vier ungewöhnliche Zeitzeugen: Vier Meteoriten, die in Argentinien, Brasilien, der Antarktis und der Sahara gefunden wurden. Sie gehören zu den sogenannten Angriten und damit zu den ältesten bekannten Gesteinen des Sonnensystems gehören. Sie entstanden aus glühender Schmelze auf der Oberfläche von Planetesimalen, die einst im inneren Sonnensystem kreisten.
Wang und seine Kollegen haben Proben dieser vier „Zeitzeugen“ datiert und analysiert. Ihre Altersbestimmung mittels Uran-Blei-Datierung ergab, dass ein Meteorit vor 4,556 Milliarden Jahren entstand, die anderen drei aber schon 4,563 Milliarden Jahre alt sind. Sie stammen damit aus der Zeit nur 3,8 Millionen Jahre nach Entstehung des Sonnensystems – genau der Ära, von der wir nicht wissen, ob es noch eine Urwolke gab oder nicht.
Ohne Urwolke kein Magnetfeld
Das Spannende daran: Die Magnetisierung der Meteoriten kann verraten, ob der Gasnebel damals noch existierte. Denn beim Erstarren speicherte ihr Gestein die Magnetbedingungen, die in ihrer Umgebung herrschten. Das Magnetfeld in protoplanetaren Systemen wiederum hängt gängiger Theorie nach entscheidend von der Existenz der ionisierten Gaswolke ab: Löst sie sich auf, vergeht auch das Magnetfeld.
„Der Magnetismus der Angriten begrenzt damit auch die Lebenszeit unserer eigenen Urwolke“, sagt Wang. Als er und seine Kollegen im Labor diese Magnetisierung maßen, registrierten sie extrem geringe Werte: weniger als 0,6 Mikrotesla. „Das bedeutet, dass es bei der Erstarrung dieser Gesteine so gut wie kein messbares Magnetfeld mehr gab“, erklären die Forscher.
Auflösung nach vier Millionen Jahren
Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Urwolke unseres Sonnensystems vor rund 4,563 Milliarden Jahren schon nicht mehr existierte – oder zumindest schon stark ausgedünnt war. „Selbst wenn der Gasnebel damals noch nicht völlig verschwunden war, war er definitiv auf dem Weg dahin“, sagt Koautor Benjamin Weiss vom MIT. Der protoplanetare Nebel hat demnach nur knapp vier Millionen Jahre gehalten, bevor er sich auflöste.
„Unsere Ergebnisse für die Auflösung der Urwolke passen nicht nur gut zu theoretischen Vorhersagen, sie liefern uns auch eine Zeitskala für viele entscheidende Aspekte in der Bildung und Entwicklung unseres Sonnensystems“, konstatieren die Wissenschaftler.
Frühe Wanderung des Jupiter
Demnach muss der Gasriese Jupiter innerhalb der ersten vier Millionen Jahre an seine endgültige Position gewandert sein – denn danach war nicht mehr genügend Gas da, um ihn mittels Turbulenzen abzulenken. Eine solche frühe Wanderung stimmt gut mit astronomischen Beobachtungen von extrasolaren Gasriesen überein.
Gleichzeitig gibt das neue Szenario den großen Gasplaneten genügend Zeit, um allmählich durch Akkretion von Gas entstanden zu sein. Wäre die Zeit kürzer gewesen, hätten sie nur durch plötzlichen Kollaps dichter Gasbereiche in der Urwolke entstanden sein können. (Science, 2017; doi: 10.1126/science.aaf5043)
(Massachusetts Institute of Technology, 10.02.2017 – NPO)