Neurobiologie

Neuer Blick ins schlafende Gehirn

Kombination von EEG und Spektralanalyse macht subtile Veränderungen sichtbar

Das sogenannte Multitaper-Spektrogramm zeigt mehr Details der Hirnstrom-Oszillationen während unseres Nachtschlafs als ein herkömmliches EEG. © Michael Prerau

Komplexe Muster: Eine neue Methode der Hirnstrom-Auswertung zeigt die Aktivität unseres schlafenden Gehirns umfassender und detaillierter als bisher. Die Kombination von Elektroenzephalogram (EEG) mit einer Spektralanalyse dieser Wellen macht das komplexe Zusammenspiel verschiedener Hirnnetzwerke sichtbar und enthüllt auch zuvor unbekannte Aktivitätsmuster – beispielsweise kurz vor unserem Eintauchen in den Traumschlaf.

Obwohl wir einen Großteil unseres Lebens im Schlaf verbringen, ist dieser Zustand noch immer nur in Teilen erforscht. So weiß man bereits, dass unser Gehirn diese Zeit nutzt, um Abfallprodukte auszuschwemmen und die tagsüber gewachsenen Synapsen wieder zu rekalibrieren – eine Voraussetzung für weiteres Lernen.

„Rohes“ EEG zeigt nicht alles

Bisher haben Forscher den Nachtschlaf und die Abfolge der verschiedenen Schlafphasen vor allem mittels EEG untersucht. Die Veränderungen der aufgezeichneten Hirnströme spiegeln wieder, ob wir gerade im Tiefschlaf sind, im REM-Schlaf träumen oder eine kurze Wachphase erleben. Doch die Analyse der Wellenmuster ist aufwändig: Die in mehreren Bahnen übereinander aufgezeichneten Linien werden in 30-Sekunden-Abständen auf bestimmte, für die Schlafphasen typische Muster hin bewertet.

Das Problem: „Wegen der praktischen Einschränkungen simplifizieren diese Techniken die Art, wie Schlaf beschrieben wird – enorme Mengen an Information gehen verloren“, sagt Erstautor Michael Prerau vom Massachusetts General Hospital von Charlestown. Durch die eher lineare Auswertung lasse sich beispielsweise das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Hirn-Netzwerke nur schwer erfassen.

Typische Aktivitätsmuster des Gehirns im Wachzustand, im Tiefschlaf und im REM-Schlaf. © Michael Prerau

Bunte Muster statt lineare Wellen

„Wir wollten daher einen umfassenderen Weg finden, die Hirnaktivität im Schlaf zu charakterisieren“, sagt Prerau. Die Idee: Die EEG-Daten mittels sogenannter Multitaper-Spektralanalyse auszuwerten. „Auf grundlegender Ebene sind auch unsere Hirnströme nichts anderes als Wellen und Oszillationen – und die Spektralanalyse tut nichts anderes, als diese Wellenmuster zu analysieren“, sagen die Forscher.

Der große Vorteil: Die Spektralanalyse erfasst auch subtile Veränderungen der EEG-Muster und macht sie als farbige Muster und Flächen sichtbar. Die Forscher vergleichen diese Methode mit der Wirkungsweise eines Prismas, das weißes Licht in seine Komponenten auftrennt. Auf ähnliche Weise enthülle die Spektralanalyse die Oszillationen hinter den EEG-Wellenmustern – und enthüllen damit die Aktivität spezifischer Hirn-Netzwerke im Schlaf.

Atlas unseres schlafenden Gehirns

Was konkret im Gehirn während unseres Schlafs passiert, haben die Forscher in einem mit dieser Methode erstellten Hirnatlas zusammengestellt. Er zeigt das typische, sich verändernde Zusammenspiel der Hirnareale im Verlauf der Nacht und auch, wie sich diese Muster zwischen verschiedenen Menschen unterscheiden.

Die individuellen Eigenheiten der Schlafmuster zu kennen ist wichtig, um beispielsweise Schlafstörungen oder neurologische Anomalien von der normalen Variationsbreite zu unterscheiden. Die Forscher hoffen daher, dass ihre neue Methode die Diagnose und Erforschung von Störungen des Nachtschlafs erleichtern wird.

Aber auch die Hirnforschung profitiert: Schon in ihren ersten Tests entdeckten die Forscher neue, zuvor unbekannte Muster in den nächtlichen Hirnströmen. So treten wenige Minuten vor dem Eintauchen in den Traumschlaf spezielle Wellenbrüche im niederfrequenten Alpha-Bereich auf, die die bald beginnende REM-Phase ankündigen. (Physiology, 2016; doi: 10.1152/physiol.00062.2015)

(Massachusetts General Hospital, 14.02.2017 – NPO)

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