Neuronaler Ausnahmezustand: Während der Pubertät ähnelt das Gehirn von Teenagern einem Baustellen-Parcours. Denn viele Hirnareale werden nun umstrukturiert – und das teilweise drastisch. Welche Hirnbereiche besonders betroffen sind, haben nun US-Forscher aufgedeckt. Demnach werden vor allen Netzwerke für höhere Denkfunktionen und die Sprache in der Pubertät zur Baustelle – was einige der Verhaltensänderungen von Heranwachsenden erklären könnte.
Teenager ticken anders: Kaum kommen Kinder in die Pubertät, verändert sich ihr Verhalten oft radikal. Sie werden reizbarer und unberechenbarer, ihr Schlafrhythmus verschiebt sich und auch Lernverhalten, ihre Motivierbarkeit und sogar ihr Intelligenzqzuotient ändern sich. Studien legen zudem nahe, dass sich auch die Struktur des Gehirns bei den heranwachsenden ändert. Doch wo genau dies geschieht und wie stark, blieb bisher weitgehend ungeklärt.
Wie der Hirnumbau bei Jugendlichen konkret aussieht, haben nun Aristeidis Sotiras von der University of Pennsylvania in Philadelphia und seine Kollegen näher untersucht. Für ihre Studie unterzogen sie 934 Jungen und Mädchen im Alter von acht bis 20 Jahren Hirnscans unter anderem per Magnetresonanz-Tomographie (MRT) und analysierten diese Daten mit speziellen Algorithmen, die Veränderungen sichtbar machten.
Hirn-Netzwerke als Baustellen-Schwerpunkte
Und tatsächlich: Bestimmte Areale der Hirnrinde werden beim Übergang vom Kindesalter zum Erwachsenwerden dicker, andere Areale wurden dagegen dünner, wie die Auswertungen ergaben. Das Spannende daran: „Viele dieser Bereiche zeigten eine bemerkenswerte Übereinstimmung mit bekannten großräumigen funktionellen Netzwerken des Gehirns“, berichten Sotiras und seine Kollegen.
So gab es Umbaubereiche, die in den gleichen Gebieten lagen wie die Netzwerke für die Aufmerksamkeit, die Körperwahrnehmung oder die Verarbeitung von Gefühlen im limbischen System. Auch das Sehsystem oder die für Entscheidungen und übergeordnete Denkprozesse und Assoziationen zuständigen Areale ließen sich mit spezifischen „Baustellen“ verknüpfen, wie die Forscher berichten.
Je höher die Denkfunktion, desto intensiver der Umbau
Noch spannender aber war eine weitere Auffälligkeit: Während der Pubertät werden offenbar die Hirnareale am stärksten umgebaut, die evolutionär jünger sind und fortgeschrittene Denkfunktionen kontrollieren. So fand im Sehsystem und den für Bewegungen und Wahrnehmung von Reizen zuständigen Arealen weniger Umbau statt als in den Schaltkreisen des präfrontalen Cortex und des Sprachzentrums, wie Sotiras und seine Kollegen feststellten.
„Das spricht dafür, dass diese entwicklungsbedingte Umstrukturierung in Teilen mit der evolutionären Neuheit dieser Strukturen verknüpft ist“, vermuten die Forscher. Anders ausgedrückt: Je menschentypischer und weiter entwickelt die Funktion eines Hirnareals ist, desto stärker muss es offenbar während der Pubertät „nachgerüstet“ werden, um später seine volle Leistung bringen zu können. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2017; doi: 10.1073/pnas.1620928114)
(PNAS, 14.03.2017 – NPO)