Platztausch im frühen Sonnensystem: Der Planet Neptun kreiste nicht immer in seiner heutigen Bahn. Stattdessen entstand er deutlich weiter innen und wanderte erst später nach außen. Dabei tauschte er nicht nur seinen Platz mit dem Uranus, er schob auch viele eisige Brocken in den Kuipergürtel, wie nun Beobachtungen nahelegen. Dies erklärt, warum diese Brocken sich von den normalen Kuipergürtel-Objekten unterscheiden, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichten.
Heute ist die Reihenfolge der Planeten im äußeren Sonnensystem klar: Erst kommt Jupiter, dann Saturn, Uranus und Neptun. Doch in der Frühzeit unseres Systems sah dies wahrscheinlich noch ganz anders aus. Planetenforscher gehen davon aus, dass der Gasriese Jupiter damals sogar zweimal quer durch das Sonnensystem wanderte – erst nach innen, dann wieder ein Stück nach außen.
Blick in den Kuipergürtel
Doch der Jupiter ist offenbar nicht der einzige „Wanderer“ im Sonnensystem, wie nun Wesley Fraser von der Queen’s University in Belfast und seine Kollegen herausgefunden haben. Für ihre Studie hatten die Forscher zwei Teleskope auf dem Maunakea in Hawaii genutzt, um eine Population ungewöhnlicher Kuipergürtel-Objekte näher zu untersuchen.
Typischerweise ist der weite Ring eisiger Objekte jenseits des Neptuns von Trümmern aus der Frühzeit der Planetenbildung bevölkert. Die meisten dieser fernen Brocken erscheinen bei Beobachtung im sichtbaren Licht leicht rötlich und fliegen einzeln umher. Gängiger Lehrmeinung nach sind sie im Kuipergürtel entstanden und Relikte der dortigen Urwolke.
Rätselhafte Doppelbrocken
Doch Fraser und seine Kollegen entdeckten eine ganze Population ungewöhnlicher Ausreißer: Brocken, die das Sonnenlicht eher bläulich reflektieren und zudem größtenteils paarweise um die Sonne kreisen. Diese beiden Partner in diesen Doppel-Objekten umkreisen einander wie Mond und Erde und sind durch ihre Schwerkraft aneinander gekoppelt, wie die Forscher erklären.
Die Eigenschaften dieser ungewöhnlichen Doppelbrocken sprechen dagegen, dass sie wir ihre einzelnen Artgenossen im Kuipergürtel entstanden sind. Stattdessen müssen sie ihren Ursprung deutlich weiter innen im Sonnensystem haben, wie Simulationen der Planetenforscher nahelegen. Demnach stammen diese Paare ursprünglich aus der Region um 38 astronomische Einheiten und damit aus einem Gebiet knapp außerhalb des Neptun-Orbits.
Platztausch im jungen Sonnensystem
Aber wie kamen die Doppelbrocken einst nach außen? Und das, ohne das die nur leicht durch die Schwerkraft aneinander gebundenen Paare durch Turbulenzen getrennt wurden? Die Antwort könnte nach Meinung von Fraser und seine Kollegen der Planet Neptun liefern. Denn schon länger vermuten Astronomen, dass der Eisplanet nicht in seinem heutigen Orbit entstanden ist, sondern wie der Jupiter, erst dorthin wanderte.
Diesem Szenario nach bildete sich der Neptun in einer Entfernung von rund 20 astronomischen Einheiten (AE) von der Sonne – ungefähr dort, wo heute der Uranus kreist. Der Uranus dagegen kreiste weiter außen. Erst rund 650 Millionen Jahre nach ihrer Entstehung begannen beide Planeten zu wandern und ihre Plätze zu tauschen. Der Neptun zog dabei auf seine heutige Bahn rund 30 AE von der Sonne entfernt.
Langsame Drift
Und hier kommen nun die rätselhaften Doppelbrocken im Kuipergürtel ins Spiel: Fraser und seine Kollegen vermuten, dass der Neptun diese eisigen Brocken bei seiner Außenwanderung mitgezogen hat. „Wir zeigen, dass die Doppel-Objekte eine solche Verschiebung nach außen durch die frühe Wanderung des Neptun überstanden haben könnten“, so die Forscher.
Voraussetzung dafür war allerdings, dass die Neptun-Wanderung sehr langsam und ruhig vonstattenging. Denn nur dann hätte das fragile Schwerkraft-Band zwischen den jeweiligen Partnerbrocken diese Verlagerung überstanden. Die neuen Beobachtungen gekoppelt mit Modellen der Planetenbewegung erklären damit nicht nur, woher die rätselhaft bläulichen Doppel-Brocken im Kuipergürtel stammen, sie stützen auch die Theorie einer frühen Wanderung des Planeten Neptun.
„Unsere Ergebnisse haben uns tiefere Einblicke in die frühen Stadien der Planetenentwicklung verschafft“, sagt Fraser. „Wir haben nun gut Anhaltspunkte dafür, wie und wo die blauen Doppel-Objekte entstanden sind.“ (Nature Astronomy, 2017; doi: 10.1038/s41550-017-0088)
(Queen’s University Belfast, 06.04.2017 – NPO)