Archäologie

Rätsel des „Weißen Pferdes“ gelöst?

Prähistorisches Pferdebild könnte rituelles "Sonnenpferd" gewesen sein

Das Weiße Pferd von Uffington ist eines der größten Geoglyphen Europas. Doch warum die Bronzezeit-Menschen es erschufen, ist bis heute rätselhaft. © NASA

Der Sonne geweiht? Das berühmte Weiße Pferd von Uffington war vielleicht doch kein bloßes Stammeszeichen. Stattdessen könnte das riesige, in den Hügel gescharrte Pferdebild eine rituelle Bedeutung gehabt haben, mutmaßt nun ein britischer Archäologe. Denn einige Indizien sprechen dafür, dass dieses Pferd ein Sonnenpferd darstellen könnte – ein im Glauben der europäischen Bronzezeit verbreitetes Symbol.

Das Weiße Pferd von Uffington in Südengland ist weltberühmt – und sorgte schon vor mehr als tausend Jahren für Faszination und Staunen zugleich. Denn das in den weißen Kalkstein gescharrte Portrait eines Pferdes ist 110 Meter lang und damit eines der größten Geoglyphen Europas. Wann genau es entstand und wer es erschuf, ist bis heute unbekannt. Archäologen vermuten aber, dass es aus der späten Bronzezeit oder frühen Eisenzeit stammt und damit mehr als 2.500 Jahre alt ist.

Doch warum dieses gewaltige Bildnis erschaffen wurde, ist bisher strittig. Immerhin muss es große Mühe gekostet haben, die Erdschicht des Hügels bis auf den nackten, weißen Kalksteinuntergrund abzutragen. Aus purem Zeitvertreib dürfte dies niemand zur damaligen Zeit getan haben.

Ein prähistorisches Stammeszeichen?

Legenden nach soll unter diesem Hügel der sagenhafte König Artus begraben liegen oder aber das Riesenbild markiert in Wirklichkeit die Stelle, an der der heilige Georg den Drachen erschlug. Etwas seriösere Theorien gehen davon aus, dass das riesenhafte weiße Pferd ein Stammeszeichen darstellt, möglicherweise das der Erbauer des etwa gleichalten Uffington Castle.

Eine ganz andere Erklärung hat nun der Archäologe Joshua Pollard von der University of Southampton in einem Fachartikel vorgestellt. Er hat die Lage und den Kontext des Pferdes genau untersucht und dabei gleich mehrere Indizien gegen die gängige Stammeszeichen-Theorie und für eine eher rituell-religiöse Bedeutung des Weißen Pferdes entdeckt.

Vom Boden aus sind nur Teile des Pferdes zu erkennen, denn es liegt auf der Hügelkuppe. Hier der Blick auf Teile des Kopfes. © Ethan Doyle White/ CC-by-sa 3.0

Lage und Ausrichtung passen nicht ins Bild

Ein erster Hinweis ist die Position des Pferdes: Es liegt so auf der Hügelkuppe, dass es eigentlich nur aus der Luft in Gänze zu sehen ist. Vom Boden aus sieht man nur Teile des Geoglyphen. Doch wenn dieses Pferd als Stammeszeichen und Markierung des Territoriums gedacht war: Warum scharrte man das Bild dann nicht in den steileren Hang des Hügels statt auf den nur sanft geneigten Teil?, so Pollards Frage.

Eine weitere Auffälligkeit ist nach Ansicht des Archäologen die Ausrichtung des Scharrbilds: Der Körper des Pferdes liegt nicht parallel zu den Konturen des Hügels, sondern zeigt leicht hangaufwärts. Dadurch wirkt es, als wenn das Pferde gerade den Hügel hinauf galoppiert – direkt auf weitere prähistorische Relikte und den westlichen Horizont zu.

Geoglyph als „Sonnenpferd“?

Nach Ansicht von Pollard gibt es für diese Auffälligkeiten eine einleuchtende Erklärung: Das Weiße Pferd stellt kein Stammeszeichen dar, sondern ist ein sogenanntes „Sonnenpferd“ – ein in der europäischen Bronzezeit weitverbreitetes religiöses Symbol. Es repräsentierte das Pferd, das den mythischen Sonnenwagen zog.

„Der Glaube an eine göttliche Sonne, die bei Tag in einem Pferdewagen über den Himmel gezogen wird und bei Nacht mittels Boot oder Kutsche durch die Unterwelt reist, ist ein wiederkehrendes Motiv in indoeuropäischen Mythologien“, erklärt Pollard. Bei Ausgrabungen sind bisher schon viele solcher Sonnenwägen gefunden worden, sowohl als Gravuren auf Bronze oder Goldobjekten, als auch als Figuren, wie beispielweise beim Sonnenwagen von Trundholm.

Der in Dänemark entdeckte 3.400 Jahre alte Sonnenwagen von Trundholm © Nationalmuseet / CC-by-sa 3.0

Dem Weg der Sonne folgend

Was aber spricht dafür, dass das Pferd von Uffington ein solches Sonnenpferd ist? Wie Pollard erklärt, ist dies vor allem die Ausrichtung: Das Pferd folgt in seiner Bewegung dem scheinbaren Bogen der Sonne am Himmel. Es galoppiere entlang des Weges, den die Sonne zur Zeit der Wintersonnwende nehmen würde, so der Archäologe.

Der enge Bezug des Weißen Pferdes zum Himmel könnte erklären, warum das Pferd vom Boden aus nur teilweise zu sehen ist: Sein Zweck war eher ritueller Natur und daher war die korrekte Ausrichtung auf den Himmel das Entscheidende. „Seine Position auf den Berkshire Downs hatte für seine Erschaffer wahrscheinlich eine immense religiös-kultische Bedeutung“, meint Pollard. Das Weiße Pferd sei wahrscheinlich ein Ort gewesen, an dem bestimmte Rituale zu Ehren der Sonne stattfanden.

Sollte Pollards Interpretation korrekt sein, dann belegt das Weiße Pferd von Uffington auch, dass die Menschen in Südengland damals ähnliche Glaubensvorstellungen hatten wie ihre Zeitgenossen auf dem Kontinent. (Antiquity, 2017; doi: 10.15184/aqy.2016.269)

(Antiquity, ibtimes, 26.04.2017 – NPO)

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