Bunte Namen: Die Einordnung und Benennung von Farbtönen hängt nicht nur von unserer Sprache und Kultur ab. Auch angeborene Präferenzen scheinen eine Rolle zu spielen, wie eine neue Studie zeigt. Demnach unterscheiden bereits Säuglinge fünf Kategorien im Farbspektrum. Diese Bereiche stimmen mit den typischen „Hauptfarben“ Rot, Gelb, Grün, Blau und Violett überein, die in vielen industrialisierten wie nichtindustrialisierten Sprachen bei der Benennung von Farben Anwendung finden.
Der Himmel ist blau, die Sonne ist gelb und die Blätter von Pflanzen sind grün. Wir nehmen zwar eine Vielzahl von farblichen Nuancen wahr, doch im Sprachgebrauch ordnen wir Farben einer Handvoll von Hauptkategorien zu. Wie diese Farbeinteilung zustande kommt, wird von Experten heiß diskutiert.
Viele Fachleute sind der Überzeugung, dass diese Kategorien auf kulturellen Phänomenen beruhen und durch die Sprache bestimmt werden. Doch es gibt auch Stimmen, die einen biologischen Ursprung der Farbeinteilung vermuten. Für diese These haben nun Anna Franklin von der University of Sussex und ihre Kollegen neue Belege gefunden.
Eine Landkarte des Farbensehens
In einer Studie mit vier bis sechs Monate alten Säuglingen untersuchten die Forscher die Ursprünge der Farbwahrnehmung. Dazu machten sie die kleinen Probanden zunächst mit einem bestimmten Farbton vertraut, den sie wiederholt zeigten. In der eigentlichen Testphase präsentierten sie dann gleichzeitig zu der vertrauten Farbe einen weiteren Farbton, der mehr oder weniger stark abwich, aber denselben Helligkeitswert hatte.
Wenn die Säuglinge diesen neuen Farbton nun länger ansahen als den bekannten Vergleichston, werteten die Forscher dies als Zeichen, dass die Farben von dem Kind unterschieden wurden – denn alles Neue zieht zunächst die Aufmerksamkeit und damit den Blick des Kindes an. So erhielten die Wissenschaftler eine Karte von Farbtönen, welche die Kinder als unterschiedlich wahrnahmen.
Säuglinge sehen rot – und vier andere Farben
Das Erstaunliche: Die Säuglinge unterschieden hauptsächlich fünf Farbbereiche, nämlich rot, gelb, grün, blau und violett. Dabei stimmen die Abgrenzungen, ab denen eine Farbe als unterschiedlich wahrgenommen wird, ziemlich gut mit den verbreiteten Farbkategorien vieler Sprachen überein, wie die Forscher berichten.
Dies gelte nicht nur für Deutsch oder Englisch, sondern auch für zahlreiche nichtindustrialisierte Sprachen wie Huave oder Wobé, betonen die Forscher – und das, obwohl die Farbbenennung in diesen Sprachen teilweise völlig unterschiedlich gestaltet ist.
Biologische Basis
Die Ergebnisse von Franklin und ihren Kollegen bekräftigen die Theorie, dass die Farbbenennung und Einteilung in Kategorien nicht allein auf sprachlichen oder kulturellen Einflüssen beruhen kann. Schließlich sind Säuglinge bei der Unterscheidung von Farbeindrücken noch nicht durch Wörter beeinflusst.
Tatsächlich liegen den Forschern zufolge bei vier der fünf Farbkategorien der Säuglinge unterscheidbare Wahrnehmungsmechanismen im Auge zu Grunde, nämlich die unterschiedliche Reizung der L-Sehzellen für langwelliges und der S-Sehzellen für kurzwelliges Licht.
Wodurch die Abgrenzung des fünften Farbbereiches zustande kommt, gilt es noch herauszufinden. Doch schon jetzt legen die Ergebnisse von Franklin nahe, dass auch biologische Faktoren bei der Einteilung und Benennung von Farbeindrücken relevant sind. (Psychological and Cognitive Sciences, 2017; doi: 10.1073/pnas.1612881114)
(University of Sussex, 09.05.2017 – CLU)