Geowissen

Naturkatastrophen: Wie gefährdet sind wir?

Atlas zeigt konkrete Bedrohung der Bevölkerung weltweit

1,6 Milliarden Menschen weltweit sind durch Wirbelstürme und die von ihnen verursachten Sturmfluten gefährdet. © Dave Saville/ FEMA

Gefahr auf einen Blick: Jeder dritte Mensch weltweit ist heute durch Erdbeben gefährdet, gut eine Milliarde Menschen sind von Hochwasser bedroht – in Deutschland ist es immerhin jeder zehnte Einwohner. Das sind nur einige der Daten aus einem neuen EU-Atlas zur Gefährdung der Menschheit durch Naturgefahren. Weil der Mensch immer mehr potenziell gefährdete Gebiete immer dichter besiedelt, sind heute doppelt so viele Menschen bedroht wie noch vor 40 Jahren.

Erdbeben, Fluten oder Stürme sind auf unserem Planeten keine Seltenheit, im Gegenteil. Doch wenn ein solches Naturereignis besiedeltes Gebiet und damit Menschen trifft, wird die Naturgefahr schnell zur Katastrophe. So richtete Hurrikan Sandy im Jahr 2012 immense Schäden an, weil er die Ostküste der USA und die Millionenmetropole New York traf, ein Erdbeben in San Francisco oder Istanbul hätte verheerende Folgen.

Wo sind die Menschen bedroht – und durch was?

Wo Menschen von solchen Katastrophen besonders gefährdet sind, zeigt nun der von der EU herausgegebene „Atlas of the Human Planet“. Er erfasst sechs große Naturgefahren: Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis, tropische Wirbelstürme, tropische Sturmfluten und Hochwasser. Die Häufigkeit solcher Ereignisse setzt er in Bezug mit der Besiedlung und der Bevölkerungsdichte der verschiedenen Länder.

Der Atlas zeigt: In den 40 Jahren von 1975 bis 2015 hat sich die Zahl der von Naturkatastrophen betroffenen Menschen weltweit verdoppelt. 2,7 Milliarden Menschen sind von Erdbeben bedroht, eine Milliarde von Hochwasser und Überschwemmungen und 414 Millionen Menschen leben in unmittelbarer Nähe der 220 aktivsten Vulkane.

Erdbeben sind die Gefahr Nummer eins

Die meisten Menschen weltweit sind von Erdbeben bedroht: 2,7 Milliarden Menschen verteilt auf 145 Länder leben in erdbebengefährdeten Gebieten – das entspricht rund einem Drittel der Weltbevölkerung. Ihr Anteil ist seit 1975 um 93 Prozent gestiegen, wie die Forscher berichten.

Die absolute Zahl der Betroffenen ist in Asien am höchsten, Indien, China und Indonesien führen hier die Liste an. In der Karibik und Mittelamerika jedoch liegt der Anteil der betroffenen Bevölkerung am höchsten – knapp die Hälfte aller Einwohner sind potenziell in Gefahr. Betrachtet man die Gefahr für bebautes und bewohntes Gelände, liegen nach China die USA und Japan weltweit an Platz zwei und drei der Gefährdung.

Zerstörung nach dem Erdbeben von Armatrice in Mittelitalien im Sommer 2016. © Leggi il Firenzepost/ CC-by-sa 3.0

In Europa leben 170 Millionen Menschen in erdbebengefährdeten Gebieten, das entspricht fast einem Viertel der europäischen Bevölkerung. Am höchsten ist dabei die Gefährdung für die Menschen in Italien, Rumänien und Griechenland: Dort sind mehr als 80 Prozent der Bevölkerung betroffen, wie der Atlas zeigt.

Tsunamis: Gefahr in Japan am größten

Durch Tsunamis sind rund 42 Millionen Menschen weltweit gefährdet, davon leben gut 90 Prozent in Asien, wie die Forscher berichten. Mit Abstand am größten ist die Bedrohung für Japaner, denn in diesem Land ist die Bevölkerungsdichte in den exponierten Küstengebieten besonders hoch. Im Gegensatz dazu liegt die Tsunamigefahr für Europäer, Afrikaner und Nordamerikaner bei gerade einmal einem Prozent.

Die Bedrohung durch Vulkane ist seit 1975 relativ gleich geblieben: Damals wie heute sind rund 5,5 Prozent der Weltbevölkerung gefährdet. Insgesamt leben rund 414 Millionen Menschen in einem Umkreis von 100 Kilometer um eine der 220 aktivsten Vulkane. Der größte Teil von ihnen lebt in Indonesien und den Philippinen, in Europa führt Italien die Gefährdungsliste an.

Hochwasser: Große Gefahr auch in Deutschland

Überschwemmungen und Hochwasser sind die am häufigsten auftretenden Naturgefahren, weltweit sind rund eine Milliarde Menschen durch „Jahrhundert-Hochwasser“ bedroht. „Obwohl Hochwasser auf allen Kontinenten auftreten, gefährden sie in Asien und Afrika mehr Menschen als in anderen Regionen“, berichten die Forscher. Rund 800 Millionen Asiaten leben in potenziellen Überschwemmungsgebieten.

Durch Hochwasser gefährdeten Bevölkerung in europäischen Ländern © EU 2017

In Europa ist Deutschland das Land mit den meisten hochwassergefährdeten Menschen: Rund acht Millionen – und damit zehn Prozent der deutschen Bevölkerung – leben in potenziell gefährdeten Gebieten, wie der Atlas zeigt. In den Niederlanden ist die absolute Zahl zwar kleiner, dafür ist dort rund ein Drittel der Bevölkerung hochwassergefährdet.

Wirbelstürme: Ein Viertel der Menschheit ist bedroht

Die zweitgrößte Bedrohung weltweit geht von tropischen Wirbelstürmen aus: 1,6 Milliarden Menschen in 89 Ländern sind heute von den Folgen dieser Naturereignisse bedroht – rund ein Viertel der Weltbevölkerung. 1,3 Milliarden der potenziell Betroffenen leben in Asien. In Indien, China und Japan gelten 95 Prozent der Bevölkerung als potezi8ell gefährdet, auf den Philippinen sind es sogar 99 Prozent, wie die Forscher berichten.

Unter den Ländern mit der höchsten Zahl der von Wirbelstürmen Betroffenen sind jedoch auch Mexiko und die USA. Vor allem in den USA ist besonders viel dicht bebautes Gebiet von den Stürmen und von Sturmfluten gefährdet. Insgesamt hat die Bedrohung durch Wirbelstürme und die von ihnen verursachten Fluten seit 1975 stark zugenommen – wie bei fast allen Naturkatastrophen.

Wachsende Bevölkerung ist Hauptfaktor

„Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und die sozioökonomische Entwicklung sind die treibenden Kräfte hinter dieser Entwicklung „, konstatieren die Forscher. Denn in allen Regionen der Erde hat die besiedelte Fläche zugenommen und dies auch in den Gebieten, in denen Naturgefahren häufig vorkommen. Anders ausgedrückt: Weil der Mensch immer stärker in Gefahrengebiete vordringt, werden Naturereignisse auch immer häufiger zu Katastrophen.

Wie die Wissenschaftler erklären, sollen die ausführlichen Gefährdungsdaten des neuen Atlas dabei helfen, die Bedrohung der Bevölkerung besser abzuschätzen. Dadurch könne Schutzmaßnahmen optimiert werden, gleichzeitig trägt das Wissen aber auch dazu bei, die Triebkräfte für die Gefährdung besser zu kennen.

(European Commission Joint Research Centre, 26.05.2017 – NPO)

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