Generalüberholung für bewährtes Antibiotikum: Forscher haben das altbekannte Medikament Vancomycin so verändert, dass es wirksamer und weniger anfällig für Resistenzen ist. Dank der Modifikationen greift das Mittel Bakterien nun auf drei unterschiedlichen Wegen an – ein Novum bei Antibiotika. Im Test tötete das modifizierte Vancomycin sogar resistente Erreger ab und war zudem deutlich aktiver als der ursprüngliche Wirkstoff. Der einzige Haken: Die Synthese des neuen Mittels ist bisher noch sehr aufwändig.
Die besten Waffen der Medizin gegen bakterielle Erreger werden stumpf: Resistenzen gegen gängige Antibiotika nehmen weltweit zu. Viele Bakterien, darunter der Krankenhauskeim MRSA oder die ESBL-Bakterien, sind inzwischen sogar schon gegen mehrere Wirkstoffklassen immun. Angesichts dieser Entwicklung hat die Weltgesundheitsorganisation erst kürzlich eindringlich zur Erforschung von Alternativen aufgerufen.
Tatsächlich hat die Suche nach einer Lösung für das Problem der resistenten Erreger mittlerweile an Fahrt gewonnen. Wissenschaftler setzen dabei auf unterschiedliche Strategien. Zum einen suchen sie in der Natur nach potenziellen neuen Wirkstoffen – zum anderen erforschen sie, wie sich bereits bekannte Mittel im Labor verändern lassen, um schlagkräftiger und weniger anfällig für Resistenzen zu werden.
Bewährtes Antibiotikum im Visier
Letztere Taktik verfolgt auch das Team um Akinori Okano vom Scripps Research Institute im kalifornischen La Jolla. Die Forscher haben sich einem alten Bekannten gewidmet: dem Antibiotikum Vancomycin aus der Wirkstoffgruppe der sogenannten Glykopeptid-Antibiotika. Dieses Mittel ist bereits seit rund 60 Jahren im Kampf gegen Bakterien im Einsatz. Sich gegen diesen Wirkstoff zu wehren, fiel Erregern lange Zeit schwer – erst in jüngster Vergangenheit nehmen die Resistenzen zu.
Das bewährte Erfolgsrezept von Vancomycin: Es greift Bakterien an, indem es mit bestimmten Molekülgruppen in deren Zellwandbestandteil Murein einen Komplex bildet. Damit blockiert es Bausteine, die für den Aufbau der Zellwand notwendig sind. Als Folge können diese nicht mehr in die wachsende Hülle eingebaut werden – die Bakterienzellen platzen auf und sterben.
Angriff von drei Seiten
Resistente Erreger verändern die von Vancomycin ins Visier genommenen Strukturen jedoch so, dass das Antibiotikum nicht mehr an sie binden kann. Sie tauschen an der entscheidenden Stelle die Aminosäure Alanin gegen Lactat aus. Okano und seine Kollegen haben nun herausgefunden, wie sich mithilfe von drei Modifikationen dieser Resistenzmechanismus umgehen lässt und das Antibiotikum noch wirksamer wird.
So hatten die Forscher bereits in früheren Studien gezeigt: Dank einer zweiten Bindungsstelle erkennt Vancomycin auch die neue Lactat-Struktur resistenter Erreger. Außerdem scheint sich die Wirksamkeit des Medikaments zu erhöhen, wenn man an einer bestimmten Stelle ein spezielles Ammoniumsalz ergänzt. Dem Team zufolge führt diese Verbindung dazu, dass der Wirkstoff die Zellwand der Bakterien leichter durchdringen kann. Dem Mittel steht damit ein zweiter Wirkmechanismus zur Verfügung, der unabhängig von der Bindung an die Molekülgruppen des Mureins funktioniert.
Eine weitere Verbesserung präsentieren die Wissenschaftler jetzt mit einer dritten Veränderung des ursprünglichen Antibiotikums: die Ergänzung einer Methylverbindung. Das neue Design macht die langsam abstumpfende Waffe endgültig wieder scharf. Im Test tötete das modifizierte Vancomycin erfolgreich sowohl resistente Enterokokken als auch Bakterien ohne die Resistenz.
Tausendfach wirksamer
Insgesamt erhöhen die Modifikationen die Aktivität des Wirkstoffs im Vergleich zum ursprünglichen Medikament um das Tausendfache, wie die Forscher berichten. Gegen Vancomycin-resistente Erreger wirkte die Substanz im Test sogar 25.000-mal so gut. Für Ärzte bedeutet das: „Sie können weniger davon einsetzen, um denselben Effekt zu erzielen“, sagt Okanos Kollege Dale Boger. Dank der neuen, synergetisch wirkenden Mechanismen sei das Antibiotikum zudem grundsätzlich weniger anfällig für Resistenzen.
Denn: Es ist dem Team zufolge das erste Antibiotikum überhaupt, das drei voneinander unabhängige Angriffsmechanismen aufweist. „Das erhöht die Wirkdauer des Medikaments immens“, so Boger. „Bakterien dürfte es schwer fallen, sich gegen alle unterschiedlichen Angriffsstrategien gleichzeitig zu wappnen. Finden sie eine Lösung für einen Mechanismus, wird sie immer noch einer der anderen beiden töten.“
Synthese muss einfacher werden
Das Team ist sich deshalb sicher, dass die modifizierte Vancomycin-Variante in Zukunft zahlreiche Leben retten könnte. Ein Problem aber müssen die Forscher noch lösen. Die Synthese des neuen Medikaments ist aktuell sehr aufwändig und benötigt dreißig einzelne Arbeitsschritte. Ziel sei nun, einen Weg zu finden, das Antibiotikum im Labor in deutlich weniger Schritten herstellen zu können. Aber das sei „der vergleichsweise leichte Part“ des Projekts, schließt Boger. (Proceedings oft he National Academy of Sciences, 2017; doi: 10.1073/pnas.1704125114)
(The Scripps Research Institute, 30.05.2017 – DAL)