Gigantische Kräfte auf kleinstem Raum: Mit Röntgenblitzen haben Forscher erstmals ein Molekül mit 54-facher positiver Ladung erzeugt – ein Rekord für die Ionisation per Licht. Dabei wurde ein Atom im Molekül kurzzeitig zu einem elektromagnetischen „Schwarzen Loch“: Seine extreme Ladung zog Elektronen aus dem umgebenden Molekül stärker an als es die Schwerkraft eines stellaren Schwarzen Lochs könnte, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Bestrahlt man ein Atom mit energiereichem Röntgenlicht, schlagen die Photonen Elektronen aus der Atomhülle heraus – das Atom wird ionisiert. Dieser Prozess liefert wertvolle Einblicke in die Struktur des Atoms und seiner Hülle. Einem Atom jedoch einen Großteil seiner Elektronen zu entreißen, ist bisher nur in wenigen Fällen gelungen. Extreme Ionisationen ereignen sich aber auch am Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs – beim „letzten Schrei“ der Materie.
54-fach positiv geladen
Einen neuen Rekord für die Ionisation mit Licht haben nun Artem Rudenko von der Kansas State University und seine Kollegen erzielt. Erstmals gelang es ihnen durch extrem energiereiche Röntgenblitze, einem Iodmethan-Molekül (CH3I) 54 seiner 62 Elektronen zu entreißen. Es entstand ein Molekül mit 54-fach positiver Ladung – ein neuer Rekord.
„Das ist unseres Wissens die höchste Ionisation, die je mit Licht erreicht worden ist“, sagt Koautor Robin Santra vom Deutschen Elektronensynchrotron (DESY). Er und seine Kollegen nutzten für ihr Experiment die Linac Coherent Light Source (LCLS) am US-Beschleunigerzentrum SLAC in Kalifornien. Dieser Röntgenlaser kann hochfokussierte, ultrakurze Röntgenblitze mit einer Intensität von 100 Billiarden Kilowatt pro Quadratzentimeter produzieren.