Abrupt abgebogen: Seit Jahrzehnten streiten Forscher darüber, wodurch die Hawaii-Emperor-Inselkette im Pazifik ihren auffallenden Knick erhielt. War es eine abrupte Richtungsänderung der Pazifischen Platte? Oder doch eine Wanderung des Hotspots? Eine Lösung des Konflikts liefern nun Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Communications“. Ihr Ergebnis: Beide bisher diskutierten Erklärungen stimmen.
Die Hawaii-Emperor-Kette ist eine der spektakulärsten geologischen Merkmale der Erde: Mehr als 6.000 Kilometer lang ist diese Reihe vulkanischer Unterseeberge und Inseln im Pazifik. Vor allem die Inseln Hawaiis gelten bis heute als Lehrbuchbeispiel für das Wirken eines Hotspots – eines heißen Aufstroms von Magma im Erdmantel. Wie ein Schneidbrenner schmilzt sich dieses Magma durch die Erdkruste – und weil sich diese bewegt, wandern auch die dabei entstehenden Vulkane.
Das Rätsel des Knicks
Ein Merkmal aber passt nicht ins Schema: Die Hawaii-Emperor-Kette hat einen Knick. Etwa auf halber Länge machen die sonst kerzengeraden Inselreihen eine Biegung von rund 60 Grad. Was diesen Knick verursacht, darüber streiten sich Geologen schon seit mehreren Jahrzehnten. Einige Forscher machen einen plötzlichen Richtungswechsel der Pazifischen Erdplatte vor 47 Millionen Jahren dafür verantwortlich. Hinweise dafür könnten Forscher auch bei einer benachbarten Gruppe von Unterwasserbergen gefunden haben.
Andere Wissenschaftler jedoch sehen im Hotspot selbst die Ursache. Denn nach neueren Erkenntnissen können sich auch Mantelplumes bewegen. Im Fall Hawaiis soll der Hotspot relativ schnell nach Süden gewandert sein, bevor er vor rund 47 Millionen Jahren wieder zum Stillstand kam. „Dieses Szenario hatte durchaus seinen Reiz, denn auf den angrenzenden tektonischen Platten fanden sich bisher keine Hinweise darauf, dass die Pazifische Platte damals plötzlich die Richtung geändert hat“, erklärt Bernhard Steinberger vom GeoForschungszentrum Potsdam (GFZ).
Zu schnell, um wahr zu sein
Welches dieser beiden Szenarien tatsächlich die heutige Form der Hawaii-Emperor-Kette erzeugt haben könnte, haben Steinberger und seine Kollegen nun mit Hilfe eines geophysikalisch-tektonischen Modells überprüft. In diesem ließen sie den Hotspot bei gleichbleibender Plattenbewegung wandern oder aber die Pazifische Platte bei stillstehendem Hotspot abdrehen.
Dabei zeigte sich: Keiner der beiden Prozesse kann die ungewöhnliche Form der Vulkankette erklären – zumindest nicht allein. Bewegt sich nur der Hotspot, dann müsste dieser unrealistisch schnell gewandert sein, wie die Simulation ergab. 42 Zentimeter pro Jahr hätte der Mantelplume dann zurücklegen müssen – das ist fünfmal schneller als die Drift der Pazifischen Erdplatte.
Ohne Plattendrehung geht es nicht
Hinzu kommt, dass der Hotspot nicht nur nach Süden, sondern auch nach Westen gewandert sein müsste – doch das ist aufgrund der Mantelströmungen an diesem Ort nicht möglich, wie die Forscher berichten. „Dafür gibt es einfach keine geodynamische Basis“, erklären sie. Zudem dürfte dann die gesamte Emperor-Kette nicht älter sein als 52 Millionen Jahre – der älteste Unterseeberg ist aber schon 80 Millionen Jahre alt.
„Wir kommen nicht um die Schlussfolgerung herum, dass das Umbiegen um 60 Grad hauptsächlich durch die Änderung der Bewegung der Pazifischen Platte hervorgerufen wurde“, sagt Koautor Pavel Doubrovine von der Universität Oslo. Allerdings: Auch dieser Richtungswechsel allein kann die heutige Form der Hawaii-Emperor-Kette nicht erklären. „In unserem Modell ist dann die Kette nach Süden verschoben und die Emperor-Kette müsste rund 800 Kilometer kürzer sein“, berichten die Forscher.
Beide haben Recht
Das bedeutet: Nur beide Prozesse gemeinsam konnten die ungewöhnliche Inselkette erschaffen. „Während wir den Richtungswechsel der Erdplatte benötigen, um die Geometrie des Knicks zu erklären, wäre die 2.000 Kilometer lange Emperor-Kette nicht entstanden, wenn sich der Hawaii-Hotspot nicht nach Süden bewegt hätte“, konstatieren die Wissenschaftler. Der Plume muss demnach in der Zeit vor 80 bis 10 Millionen Jahren um acht Breitengrade gewandert sein.
„Wenn wir diese Lösung akzeptieren, dann können wir endlich aufhören uns im Kreis zu drehen und voranschreiten“, betont Erstautor Trond Torsvik vom GFZ. „Dann können wir uns der nächsten spannenden Frage widmen: Was genau hat eigentlich dazu geführt, dass die Pazifische Platte vor 47 Millionen Jahren ihre Richtung geändert hat?“ (Nature Communications, 2017; doi: 10.1038/ncomms15660)
(Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, 09.06.2017 – NPO)