Physik

Wo versteckt sich das Inflaton?

Suche nach dem Trägerteilchen der kosmischen Inflation findet nichts

So sieht ein "normaler" Zerfall im Detektor LHCb aus. In Abweichungen hiervon müsste sich das Inflaton verraten. © LHCb Collaboration/ CERN

Rätselhafte Abwesenheit: Gängiger Theorie nach wurde die kosmische Inflation von einem Kraftfeld mit dazugehörendem Teilchen angetrieben – dem Inflaton. Doch eine gezielte Fahndung nach ihm weckt Zweifel: In dem Massebereich, in dem es existieren müsste, haben Physiker am LHC keinerlei Hinweise darauf gefunden. Dieser „kleine Bruder“ des Higgs-Bosons scheint demnach nicht zu existieren – jedenfalls nicht in der bisher postulierten Form.

Noch ist die kosmische Inflation zwar nicht bewiesen, sie gilt aber als gängigste Erklärung für einige sonst unerklärliche Eigenschaften unseres Weltalls. Demnach muss sich unser Universum nach dem Urknall innerhalb eines Sekundenbruchteils exponentiell ausgedehnt haben – um einen Faktor von bis zu 10 hoch 100.

Ein Feld als Motor der Inflation

Den Motor für diese Inflation der Raumzeit soll der Theorie nach eine Art Kraftfeld geliefert haben, ein sogenanntes Skalarfeld. Ähnlich wie das Higgs-Feld durch seine Interaktion mit Materie allem eine Masse verleiht, soll dieses Inflaton-Feld damals der Gravitation entgegengewirkt und so die explosive Ausdehnung ermöglicht haben.

Das aber bedeutet: Wie das Higgs-Feld das Higgs-Boson bedingt, muss auch das Inflaton-Feld ein entsprechendes Teilchen erzeugen. „Ein Feld bedeutet immer auch die Existenz eines Teilchens als Träger dieses Effekts“, erklärt Marcin Chrzaszcz von der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Physikalische Modelle sprechen dafür, dass dieses „Inflaton“ leichter sein muss als das Higgs-Boson, aber ähnliche Eigenschaften besitzen muss.

Prinzip des Inflaton-Felds: Solange es ein Plateau bildet, treibt seine Existenz die Inflation an. © scinexx

Vom Higgs zum Inflaton

Seither fahnden Teilchenphysiker nach diesem leichteren Cousin des Higgs-Bosons – unter anderem im Large Hadron Collider (LHC) des CERN. „Die Masse des Inflatons müsste klein genug sein, um dieses Teilchen bei Zerfällen von Beauty-Mesons auftauchen zu lassen“, erklärt Andrea Mauri von der Universität Zürich. Sie und ihre Kollegen haben daher in den Daten des LHCb-Detektor aus der ersten Laufzeit des Beschleunigers nach Hinweisen auf das Inflaton gesucht.

Gibt es dieses Teilchen, dann müsste es manchmal bei bestimmten Beauty-Meson-Zerfällen entstehen. Bei diesen werden ein Kaon und ein Higgs-Boson gebildet, letzteres wandelt sich dann in ein Inflaton um. Das Inflaton würde aber schon nach wenigen Metern zu einem Teilchenpaar zerfallen: einem Myon und einen Antimyon. Nachweisen ließe sich das Ganze durch die Raten von Kaonen, Myonen und Antimyonen.

Griff ins Leere

Doch diese Abweichung haben die Physiker bisher nicht gefunden – zumindest nicht im Bereich zwischen 250 und 4.700 Megaelektronenvolt (MeV) und damit in dem Massebereich, in dem das Inflaton bisher vermutet wurde. „In unserer Analyse haben wir nach solchen Zerfällen in bis zu 99 Prozent aller möglichen Variationen gesucht, aber wir sind nicht fündig geworden“, sagt Chrzaszcz. „Wir können daher mit großer Sicherheit sagen, dass ein leichtes Inflaton schlicht nicht existiert.“

Das bedeutet: Entweder das Inflaton ist schwerer als bisher angenommen oder aber die kosmische Inflation ist noch rätselhafter als ohnehin schon. Denn dann müsste möglicherweise ein ganz anderer Mechanismus erklären, wie das Ur-Universum den eigenen Schwerkraftsog überwunden hat um sich so stark auszudehnen. (Physical Review D, 2017; doi: 10.1103/PhysRevD.95.071101)

(The Henryk Niewodniczanski Institute of Nuclear Physics Polish Academy of Sciences, 12.06.2017 – NPO)

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