Darunter sind auch echte Mega-Dämme: Allein der Belo-Monte-Damm am Rio Xingu in Brasilien ist 3,5 Kilometer lang und wird 400 Quadratkilometer Regenwald fluten. Mit einer Leistung von elf Megawatt wird die fast fertigestellte Anlage der viertgrößte Staudamm der Welt sein.

Baustelle des Belo-Monte-Staudamms im Jahr 2015. Seit 2016 laufen hier schon die ersten Turbinen. © Pascalg622/ CC-by-sa 3.0
Das Problem: Schon lange ist bekannt, dass gerade sehr große Staubdämme die Landschaft und Ökosysteme flussabwärts extrem verändern und degradieren können. So sorgt die fehlende Sedimentfracht für verstärkte Erosion und verminderte Fruchtbarkeit der Böden und Flussufer. Ausbleibende Hochwässer lassen Feuchtgebiete austrocknen und die Artenvielfalt in den Flüssen sinkt.
„Unumkehrbare Folgen“
Welche Bedrohung die Staudämme für das Amazonasbecken bedeuten, haben Latresse und seine Kollegen nun umfassend ermittelt. Für ihre Studie analysierten sie die Umwelteffekte der Staudämme in den vier Unterbereichen des Amazonasbeckens und entwickelten einen Gefährdungsindex, um die Bedrohung erstmals quantifizieren zu können.
Das Ergebnis: Wenn nichts unternommen wird, sieht die Zukunft für das Amazonasgebiet düster aus: „Wenn auch nur ein Bruchteil dieser Dämme gebaut wird, wird dies bedeutende Umweltfolgen haben, die unumkehrbar sind“, warnen die Forscher. „Es existiert keine vorstellbare Technologie, die dann diese Folgen wieder rückgängig machen könnte.“

Überschwemmungen und fruchtbarer Schlamm sind für die Feuchtgebiete am Amazonas überlebenswichtig. © E.M. Latrubesse
Rio Madeira am stärksten bedroht
Akut bedroht sind vor allem die Flüsse und Landschaften im Einzugsgebiet des Rio Madeira, des größten Zuflusses und Sedimentlieferanten des Amazonas. „Schon jetzt ist dieses Gebiet durch die aktuellen Staudamm-Bauten akut beeinträchtigt“, berichten die Forscher. Im Gefährdungsindex erreicht das Madeira-Gebiet nahezu flächendecken Werte von 80 bis 100 – und damit die höchsten erreichbaren Werte.
„Und die Umweltaussichten für die Zukunft sehen noch schlimmer aus“, sagen Latrubesse und seine Kollegen. „Das Madeirabecken ist das bedrohteste des gesamten Amazonasgebiets.“ Stark gefährdet sind aber auch weitere Amazonasnebenflüsse darunter Rio Tapajós und Rio Ucayali. Denn an beiden sind gleich mehrere neue Staudämme geplant und beide sind die Heimat einzigartiger und seltener Tier- und Pflanzenarten.
„Ist die Stromgewinnung diesen Preis wert?“
„Die Bewohner der Amazonasregion müssen sich letztlich entscheiden, ob die Produktion von Strom aus Wasserkraft diesen hohen Preis wirklich wert ist: die tiefgreifende Schädigung und Zerstörung des artenreichsten und produktivsten Flusssystems der Erde“, sagen die Wissenschaftler. Sie appellieren an die Amazonas-Staaten, die geplanten Dammprojekte noch einmal zu prüfen und vor allem ihre Umweltfolgen genauer zu untersuchen.
Fraglich ist ohnehin, ob sich die rein zur Stromerzeugung gedachten Staudammprojekte überhaupt lohnen: „Jüngste Forschungen zeigen, dass die Baukosten großer Staudämme meist zu hoch sind, um die finanziellen Investitionen wieder einzubringen – und das sogar dann, wenn man die negativen Folgen für Umwelt und Bevölkerung gar nicht berücksichtigt“, berichten die Forscher.
Ihrer Ansicht nach müssen die Regierungen der betroffenen Länder in Zukunft nicht nur enger zusammenarbeiten als bisher. Sie sollten auch die Umweltfolgen der Dammprojekte stärker berücksichtigen und einplanen. „Die Amazonasanrainer haben jetzt noch einmal die Chance, über eine nachhaltige Zukunft für ihre einzigartigen Flussressourcen nachzudenken“, betonen die Wissenschaftler. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature22333)
(Nature, 15.06.2017 – NPO)
15. Juni 2017