Mischung durch Kollisionen: Forschern ist es erstmals gelungen, einzelne Atome bei der Diffusion zu beobachten – dem Prozess, durch den sich beispielsweise Gase oder Flüssigkeiten mischen. Dadurch konnten sie die fundamentalen Schritte bei der Diffusion einzelner Atome in einem Gas beobachten und theoretisch beschreiben. Ihre Erkenntnisse helfen, das gängige Modell der Diffusion anzupassen und so künftig diese Prozesse auch in sehr dünnen Gasen nachvollziehen zu können.
Das Prinzip ist altbekannt: Kommen verschiedene Substanzen in Kontakt, streben sie nach einem Konzentrationsausgleich. Durch den Prozess der Diffusion mischen sich daher zwei Flüssigkeiten oder Gase solange miteinander, bis ein Gleichgewicht erreicht ist. „Diffusion ist in vielen Bereichen von großer Bedeutung und liegt vielen Transportvorgängen zugrunde, zum Beispiel in lebenden Zellen oder auch in Energiespeichern“ erklärt Artur Widera von der Technischen Universität Kaiserslautern. „Ein Verständnis von Diffusionsvorgängen ist daher in fast allen Bereichen von Lebenswissenschaften über Naturwissenschaft bis zu Technologieentwicklung wichtig.“
Doch was bei der Diffusion auf Atomebene geschieht, ist bisher nur theoretisch klar: Durch die Brownsche Molekularbewegung „zittern“ die Atome oder Moleküle ständig umher und kollidieren dabei. Dadurch ergibt sich ein Muster aus Zickzack-Bewegungen und die Teilchen verschiedener Stoffe durchmischen sich im Laufe der Zeit.
Kollisionen in ultrakalter Atomwolke
Jetzt ist es Forschern gelungen, diese Atombewegungen bei der Diffusion in einem Gas erstmals direkt zu beobachten. Dafür kühlten sie eine Wolke aus mehreren tausend Rubidium-Atomen bis auf wenige Gradbruchteile über dem absoluten Nullpunkt ab. Dann schossen sie einzelne Cäsium-Atome in diese ultrakalte Gaswolke hinein. „Die Diffusion wurde dadurch derartig verlangsamt, dass einzelne Schritte der Diffusion zu sehen waren“, erläutert Widera.
Die Cäsiumatome kollidierten in der Wolke im Mittel jede Zehntelsekunde einmal mit einem Rubidiumatom. Um die dadurch verursachten Bewegungs- und Positionsveränderungen sichtbar zu machen, „froren“ die Forscher die Atomwolke nach jeweils verschiedenen Zeitabständen mit Hilfe eines optischen Gitters ein. Dadurch konnte sie nachvollziehen, wann sich die einzelnen Cäsiumatome wo wiederfanden.
Gängiges Modell passt
Es zeigte sich: Schon eine einzige Kollision reichte aus, um die anfangs gerichtete Bewegung der Cäsiumatome in ein zufälliges Brownsches „Zittern“ zu verwandeln. Die Kollision nimmt dem Atom mehr als die Hälfte seiner ursprünglichen kinetischen Energie, wie die Forscher berichten. Nach wenigen weiteren Kollisionen verhält sich das Atom ziemlich genau wie nach gängigen Modellen erwartet.
Das Experiment und eine begleitende Modellsimulation belegten, dass die allgemein verwendete Diffusionsformel, die sogenannte Languevin-Beschreibung, dennoch passt. Wie die Forscher nachweisen, reicht es dafür aus, den Reibungsfaktor bei der theoretischen Berechnung des Modells zu verändern. „Mit diesem neuen Modell können wir die Bewegung der Atome nun besser beschreiben“, sagt Eric Lutz von der Universität Erlangen-Nürnberg.
Auf diese Weise kann man künftig auch die Diffusion in den dünnen Luftschichten der oberen Atmosphäre, im interstellaren Raum oder in der Vakuumtechnologie physikalisch erfassen. Dadurch lassen sich beispielsweise die Ausbreitung von Aerosolen in der Atmosphäre oder von Gasen in Vakuumanlagen besser verstehen. (Physical Review Letters, 2017; doi: 10.1103/PhysRevLett.118.263401)
(Technische Universität Kaiserslautern, 03.07.2017 – NPO)