Physik

LHC: Neues Teilchen entdeckt

Physiker weisen erstmals ein Baryon mit gleich zwei schweren Quarks nach

Das Teilchen besteht aus zwei Charm-Quarks und einem Up-Quark. Es ist damit der erste Nachweis eines Baryons mit gleich zwei schweren Quarks. © CERN

Doppelt „charmant“: Physiker am CERN haben erstmals ein Teilchen mit ungewöhnlicher Quark-Kombination nachgewiesen. Es besteht aus zwei schweren Charm- und einem leichten Up-Quark und ist doppelt positiv geladen. Solche Baryonen aus zwei schweren und einem leichten Quark wurden zwar schon länger theoretisch vorhergesagt. Erst jetzt jedoch gelang der Nachweis im LHCb-Detektor des Teilchenbeschleunigers LHC. Die ungewöhnliche Quarkkombination liefert wertvolle Einblicke in Physik solcher Teilchen.

Die meisten Bausteine der Materie sind Baryonen – Teilchen aus jeweils drei Quarks. In Protonen und Neutronen finden sich beispielsweise Kombinationen der beiden leichtesten Quarks, des Up- und des Down-Quark. Doch es gibt noch vier weitere, schwerere Quark-Sorten. Theoretisch spricht daher nichts dagegen, dass auch sie in Baryonen vorkommen. Doch bisher haben Physiker in Teilchenbeschleunigern zwar exotische Teilchen aus vier, fünf oder sogar sechs Quarks erzeugt, Baryonen mit schweren Quarks jedoch sind extrem rar. Die wenigen bisher bekannten Varianten enthalten maximal ein schweres Quark.

Zwei Charm und ein Up

Jetzt jedoch haben Physiker am CERN erstmals ein Baryon mit zwei schweren Quarks nachgewiesen. Es enthält gleich zwei Charm-Quarks und ein Up-Quark. „Die Existenz solcher Doppelcharm-Baryonen galt schon seit den 1970er Jahren als möglich“, erklären die Forscher. Doch bisherige Versuche, dieses Teilchen dingfest zu machen, schlugen fehl – bis jetzt.

„Dies ist das erste Mal, dass ein solches Teilchen eindeutig nachgewiesen worden ist“, heißt es in einer Mitteilung des CERN. Entdeckt haben die Forscher das Ξcc++ getaufte Baryon mithilfe des LHCb-Detektors am Large Hadron Collider (LHC). In den Zerfallsdaten der zweiten Laufzeit, bei der Protonen mit der Energie von 13 Teraelektronenvolt aufeinanderprallen, zeigte sich ein signifikanter „Buckel“ in der Kurve. Ursache dieser Abweichung waren die Zerfallsprodukte des Baryons, wie die Physiker erklären.

Dieser Peak in der Zerfallskurce des LHCb verriet die Existenz des Doppelcharm-Quarks. © CERN/ LHCb-Kollaboration

Viermal so schwer wie ein Proton

Das neue Teilchen hat eine Masse von 3.621 Megaelektronenvolt. Damit ist es rund viermal so schwer wie ein Proton. Der Grund dafür sind die beiden schweren Charm-Quarks, die jeweils 1.275 Megaelektronenvolt auf die Waage bringen. Ähnlich wie das Proton ist auch das neue Baryon positiv geladen, wie die Physiker berichten. Allerdings trägt es sogar eine doppelte Elementarladung – das Proton ist dagegen nur einfach positiv.

Genau dies könnte den Physikern auch zur Entdeckung des Teilchens verholfen haben. Denn wie sie erklären, fliegt das Ξcc++ im Detektor relativ weit, bis es zerfällt. „Dieser Status stimmt mit dem von schwachen Wechselwirkungen beeinflussten langsameren Zerfall überein, den man für ein solches Teilchen erwartet hat“, berichten die Forscher.

„Wie ein Doppelstern mit einem Planeten“

Spannend ist das neue Baryon vor allem deshalb, weil seine ungleichgewichtige Quark-Kombination ganz neue Einblicke in die Natur solcher Teilchen und ihrer Wechselwirkungen bietet. Erstmals können Teilchenphysiker nun herausfinden, wie sich die Präsenz gleich zwei schwerer Quarks auf das Verhalten der Elementarteilchen auswirkt.

„Bei anderen Baryonen vollführen die drei Quarks einen komplexen Tanz umeinander herum“, erklärt Guy Wilkinson von der LHCb-Kollaboration. „Im Gegensatz dazu erwarten wir, dass sich ein doppeltschweres Baryon eher wie Doppelsternsystem mit Planet verhält: Die beiden schweren Quarks umkreisen einander wie zwei Sterne, während das leichtere Quarks dieses Doppelsystem als Planet umkreist.“ Aufschluss über ihre Verhalten erhoffen sich die Physiker von genaueren Analysen der Zerfallszeiten und Zerfallsmechanismen.

Die sechs Arten von Quarks im Überblick © MissMJ/ CC-by-sa 3.0

„Ein Baryon mit zwei schweren Quarks ist interessant, weil uns das ein einzigartiges Werkzeug liefert, um mehr über die Quantenchromodynamik herauszufinden“, erklärt Giovanni Passaleva, Sprecher der LHCb-Kollaboration. Die Quantenchromodynamik beschreibt die Effekte der starken Kernkraft, einer der vier Grundkräfte der Physik. Sie ist die Kraft, die unter anderem den Atomkern zusammenhält.

Fahndung nach weiteren „Doppel-Schwergewichten“

Das neu entdeckte Doppelcharm-Baryon ist vermutlich nicht das einzige seiner Art: Die Physiker vermuten, dass es eine ganze „Familie“ von Baryonen mit zwei Charm-Quarks und jeweils verschiedenen Dritten im Bunde geben könnte. Diese könnten schon bald in Teilchenbeschleunigern wie dem LHC gefunden werden. Die Forscher der LHCb-Kollaboration jedenfalls haben ihre Fahndung danach bereits begonnen.

Noch auf ihre Entdeckung warten auch Baryonen mit zwei anderen schweren Quarks – beispielsweise zwei Beauty-Quarks oder einem Beauty und einem Charm-Quark. Auch sie müsste der Theorie nach existieren und in Teilchenbeschleunigern zumindest kurzzeitig produzierbar sein. (Physical Review Letters, submitted)

(CERN, 07.07.2017 – NPO)

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