Neurobiologie

Wie Hypnose unsere Wahrnehmung manipuliert

Hypnotische Suggestion kann die Verarbeitung von Reizen im Gehirn blockieren

Hypnose beeinflusst messbar unsere Wahrnehmung: Die hypnotische Suggestion einer Sichtblockade hemmt die Verarbeitung von Sehreizen. © sb-borg/ iStock.com

Faszinierender Effekt: Forscher haben entschlüsselt, wie die Hypnose unsere Sinneswahrnehmung verändert. Demnach blockiert eine hypnotische Suggestion zwar nicht das Registrieren eines Reizes, wohl aber dessen weitere Verarbeitung im Gehirn. Das enthüllten Hirnstrommessungen bei hypnotisierten Probanden. Durch diese Blockade der Verarbeitung dringen Wahrnehmungen dann nicht bis ins Bewusstsein vor, wie die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ erklären.

Hypnose galt lange als fauler Zauber und unseriöser Jahrmarktstrick. Doch inzwischen hat sich das Bild gewandelt. Studien belegen, dass Hypnose nachweisbare Veränderungen im Gehirn bewirkt. Dies wiederum kann dazu beitragen, dass Menschen beispielsweise beim Zahnarzt weniger Schmerzen empfinden oder besser schlafen können. Doch wie genau die Hypnose unser Denken und Fühlen beeinflusst, ist bisher erst in Ansätzen erforscht.

Brett vorm Kopf

Mehr Einblick liefert nun ein Hypnose-Experiment von Barbara Schmidt und ihren Kollegen von der Universität Jena. Sie haben untersucht, wie sich die visuelle Wahrnehmung bei einer entsprechenden Hypnose verändert. Dafür ließen sie 60 Versuchspersonen zunächst auf einem Bildschirm bestimmte Symbole zählen – inmitten vieler Dreiecke sollten die seltener auftauchenden Quadrate gezählt werden.

Dann hypnotisierten sie die Teilnehmer. „Wir suggerierten ihnen, dass sie ein hölzernes Brett vor ihren Augen sehen würden, das ihre Sicht auf den Monitor behindert“, berichtet Schmidt. Dennoch sollten die Probanden weiterhin versuchen, die Symbole zu zählen. Bereits in Vortests waren die Probanden so ausgewählt worden, dass ein Drittel von ihnen besonders gut hypnotisierbar waren, ein Drittel mittelmäßig und der Rest nur schwach auf die Hypnose ansprach.

Suggestion hat reale Auswirkungen

Das Ergebnis: „Durch die suggerierte Sichtbehinderung stieg die Anzahl der Zählfehler erheblich“, berichten die Forscher. Während zuvor mehr als 90 Prozent der Quadrate entdeckt und korrekt gezählt worden waren, sank die Trefferquote bei den nur schwach auf Hypnose ansprechenden Probanden auf unter 80 Prozent, bei den gut hypnotisierbaren sogar auf nur noch gut 50 Prozent.

Hypnotisierte Probandin während des Experiments © Jan-Peter Kasper/FSU

„Je realer den Probanden dabei das Brett vor dem Kopf erschien, desto stärker sank ihre Zählleitung ab, berichten Schmidt und ihre Kollegen. Die hypnotisierten Teilnehmer schienen viele der Symbole auf dem Bildschirm nicht mehr sehen zu können – so als würde tatsächlich ein Holzbrett ihnen die Sicht versperren. „Dies illustriert die Wirkung von Suggestionen und die Macht des Geistes“, betonen sie.

Hirnwellen abgeschwächt

Aber warum und wie funktioniert die Sichtblockade durch das suggerierte „Brett vor dem Kopf“? Um das herauszufinden, analysierten die Wissenschaftler die Hirnströme der Probanden mittels Elektroenzephalogramm (EEG). Dabei zeigte sich: Die frühen Hirnreaktionen auf die Symbolwahrnehmung waren noch nicht beeinträchtigt. Hirnwellen, die typischerweise 200 Millisekunden nach einem visuellen Reiz auftreten, waren bei den hypnotisierten Probanden noch normal.

Anders dagegen die Hinströme, die durch die Verarbeitung des Reizes im Gehirn entstehen: Die dafür typischen Wellen waren unter Hypnose signifikant abgeschwächt, wie die EEG-Auswertung ergab. „Die Amplitude dieser P3b-Reaktion lag unter Hypnose bei nur 37 Prozent der normalen Amplitude unter Kontrollbedingungen“, berichten die Forscher. Je ausgeprägter diese Hemmung war, desto mehr Symbole übersahen die Probanden.

Blockade in der Verarbeitung

Diese Ergebnisse demonstrieren, dass die einfache Wahrnehmung durchaus noch stattfindet: Die Teilnehmer konnten die Symbole sehen. Aber weil die weitere Verarbeitung dieser Wahrnehmung durch die Hypnose blockiert wurde, waren sie sich dessen nicht bewusst und konnten die Symbole daher auch nicht gezielt zählen, wie die Forscher erklären.

„Diese Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt hin zu einem besseren Verständnis der Mechanismen, die für die Effekte der Hypnose verantwortlich sind“, konstatieren Schmidt und ihre Kollegen. „Denn sie stützen die Hypothese, dass Suggestionen unter Hypnose eine Dissoziation zwischen der primären Sinneswahrnehmung und der Verarbeitung dieser Reize im Gehirn verursachen.“

Tests auch mit anderen Reizen geplant

Die Wissenschaftler wollen diesen Effekt der Hypnose nun auch bei anderen Sinneswahrnehmungen untersuchen, darunter akustischen Reizen und Schmerz. „Wir müssen nicht mehr zeigen, dass Hypnose wirksam ist, denn das ist bewiesen. Es gilt vor allem herauszufinden, warum und wie solche merkwürdigen Wahrnehmungsveränderungen bei hypnotisierten Menschen möglich sind“, sagt Seniorautor Wolfgang Miltner. (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/s41598-017-05195-2)

(Friedrich-Schiller-Universität Jena, 11.07.2017 – NPO)

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