Herz aus dem Takt: Wer regelmäßig überdurchschnittlich lange arbeitet, könnte seinem Herzen schaden. Das legt nun eine großangelegte Studie nahe. Demnach erkrankten Menschen mit 55 und mehr Arbeitsstunden pro Woche deutlich häufiger an Vorhofflimmern als Personen mit normalen Arbeitszeiten von 35 bis 40 Stunden. Im Schnitt war das Risiko für die Herzrhythmusstörung bei den Vielarbeitenden um 40 Prozent höher, wie die Forscher berichten.
Gemessen an der Zahl der Todesfälle sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die gefährlichsten Krankheiten des 21. Jahrhunderts. Abnutzungserscheinungen und Defekte des Pumporgans kosteten allein im Jahr 2015 18 Millionen Menschen das Leben, wie eine aktuelle Untersuchung belegt. Weltweit sind sie damit für ein Drittel aller Todesfälle verantwortlich.
Mitschuld an Herzrhythmusstörungen, Insuffizienzen oder Arteriosklerose trägt nicht selten unser Lebensstil. Denn Rauchen, fettreiche Ernährung und mangelnde Bewegung erhöhen das Risiko für die kardiovaskulären Erkrankungen. Studien zeigen zudem, dass auch Stress ein entscheidender Faktor ist. So können etwa wenig Schlaf und lange Arbeitstage zu erhöhtem Blutdruck und einer gesteigerten Herzschlagfrequenz führen – dies kann auf Dauer das Herz belasten und die Blutgefäße schädigen.
Wer lange arbeitet, ist häufiger betroffen
Mika Kivimaki vom University College in London und seine Kollegen haben nun auch Hinweise darauf gefunden, dass überdurchschnittlich lange Arbeitszeiten das Risiko für Vorhofflimmern zu erhöhen scheinen. Für ihre Untersuchung werteten die Forscher Daten von knapp 85.500 Personen aus Großbritannien, Dänemark, Schweden und Finnland aus, die im Rahmen von unterschiedlichen Studien zehn Jahre lang wissenschaftlich begleitet worden waren.
Alle Probanden hatten zu Beginn der Langzeituntersuchung angegeben, wie viele Stunden sie im Schnitt pro Woche arbeiteten. Wie würde sich die Arbeitszeit auf ihr Herz auswirken? Die Analyse zeigte: Insgesamt erkrankten im Laufe der zehn Studienjahre 1.061 Teilnehmer an Vorhofflimmern. Auffällig dabei: Personen, die mehr als 55 Stunden pro Woche arbeiteten, waren im Vergleich zu Probanden mit normalen Arbeitszeiten zwischen 35 und 40 Stunden weitaus häufiger betroffen.
Risikofaktor für Schlaganfall und Herzversagen
Ihr Risiko, die Herzrhythmusstörung zu entwickeln, war demnach um 40 Prozent erhöht – und zwar nachdem Kivimakis Team andere Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum oder Bewegungsmangel herausgerechnet hatte. In neun von zehn Fällen hatten die Teilnehmer zuvor an keiner anderen kardiovaskulären Erkrankung gelitten. Dies deute darauf hin, dass das Vorhofflimmern tatsächlich eine Folge der Arbeitsbelastung sei, so die Forscher.
„Beobachtungen zeigen, dass Menschen, die viel arbeiten, häufiger einen Schlaganfall erleiden“, sagt Kivimaki. „Unsere Ergebnisse könnten diesen Zusammenhang erklären, denn Vorhofflimmern kann das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen, aber auf Dauer auch andere gesundheitliche Auswirkungen haben, zum Beispiel Herzversagen.“
Weitere Studien nötig
Ein 40 Prozent höheres Risiko für Vorhofflimmern stellt den Wissenschaftlern zufolge vor allem eine Gefahr für vorbelastete Menschen dar, die durch Faktoren wie hohes Alter, Übergewicht, Rauchen, Bluthochdruck oder Diabetes ohnehin bereits ein gesteigertes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen haben. „Für eine gesunde, junge Person mit wenigen Risikofaktoren ist das absolute Risiko, durch lange Arbeitszeiten an Vorhofflimmern zu erkranken, klein“, betont das Team.
Ob der Effekt der Arbeitszeit auf die Herzgesundheit tatsächlich so groß ist, wie von den Forschern berechnet, das müssen weitere Studien jedoch erst noch bestätigen. Für endgültige Schlussfolgerungen sei es zu früh, schreiben die Mediziner Bakhtawar Mahmoodi und Lucas Boersma vom St. Antonius Hospital im niederländischen Nieuwegein in einem Kommentar zur Studie. Eine Schwäche der Untersuchung sei, dass die Probanden lediglich einmal, nämlich zu Beginn der Studie, zu ihren Arbeitszeiten befragt worden seien – und danach nie wieder.
Auch Fragen nach der Art der Tätigkeit oder nach Schichtarbeit habe die Studie außen vor gelassen. „Nichtsdestotrotz beschäftigt sich diese Untersuchung mit einem wichtigen Thema und erweitert die wissenschaftliche Literatur zu den Ursachen von Vorhofflimmern“, so das Fazit der Mediziner. (European Heart Journal, 2017; doi: 10.1093/eurheartj/ehx324)
(European Society of Cardiology, 17.07.2017 – DAL)