Feurige Entdeckung: Unter dem Eis der Westantarktis verbirgt sich eine der größten Vulkanregionen der Erde. Mithilfe von Radardaten haben Forscher dort 138 Vulkane aufgespürt, einige davon sind bis zu 3.000 Meter hoch. Ob diese Feuerberge noch aktiv sind, ist bislang unklar. Die Wissenschaftler halten es jedoch nicht für ausgeschlossen. Sollte sich dies bestätigen, könnte dies für das Eis der Antarktis bedeutende Folgen haben.
Die Antarktis galt bisher als vulkanisch eher inaktiv. Zwar zeugen die Marie-Byrd-Seamounts und einige Vulkankegel in der Westantarktis von vergangenen Eruptionen, aber diese galten als lange vorbei. Doch bereits im Jahr 2013 weckten wiederkehrende Schwarmbeben unter dem Eis Zweifel daran. 2015 wiesen seismische Messungen zudem überraschend heiße Zonen im Untergrund der Westantarktis nach.
Sollte unter dem Eispanzer der Westantarktis doch noch Feuer existieren? Tatsächlich haben topografische Daten seither enthüllt, dass es dort sogar eine Riftzone geben könnte – einen Bereich, in dem die Erdkruste aufreißt, weil sich Erdplatten auseinander bewegen. Typischerweise ist dieses Aufreißen der Erdkruste mit starkem Vulkanismus verbunden, wie beispielsweise am Ostafrikanischen Grabenbruch.
Vulkanfahndung in Radardaten
„Die Antarktis umfasst eine der größten Regionen gedehnter Kontinentalkruste auf der Erde, in Größe und Form vergleichbar mit dem Afrikanischen Riftsystem“, erklären Maximilian Van Wyk de Vries und seine Kollegen von der University of Edinburgh. „Doch bisher wurden in der Westantarktis nur wenige Vulkane gefunden.“ Der dicke Eispanzer macht es schwer, die Feuerberge aufzuspüren.
Um das wahre Ausmaß des antarktischen Vulkanismus aufzudecken, haben die Forscher eine systematische Fahndung durchgeführt. Dafür werteten sie die Daten von Radarsatelliten aus, die die Topografie des antarktischen Untergrunds unter der Eisschicht abbilden. In diesen Daten suchten sie nach verräterischen Bergkegeln, wie sie für Vulkane mit basaltischer Lava typisch sind.
„Eines der größten Vulkangebiete der Erde“
Und tatsächlich: Die Wissenschaftler entdeckten gleich 138 Vulkankegel unter dem Eis der Westantarktis, davon 91 bisher unbekannte. Sie sind zwischen 100 und 3.850 Meter hoch und im Mittel 21 Kilometer breit. „Ihre Form und Größe ähnelt damit stark den Vulkanen, die man auch an anderen Riftzonen weltweit findet“, so die Forscher. Die größten Feuerberge liegen im Marie-Byrd-Land, hier finden sich gleich 29 Vulkane von mehr als 1.000 Metern Höhe.
Die neuentdeckten Vulkane konzentrieren sich genau dort, wo nach bisherigen Erkenntnissen das Riftsystem liegt. In einem Bogen erstreckt sich die neuentdeckte Vulkanregion 3.500 Kilometer lang vom östlichen Rossmeer bis zum Transantarktischen Gebirge. „Damit umfasst die Westantarktische Riftzone eines der größten Vulkangebiete der Erde“, konstatieren de Vries und seine Kollegen. Sie vermuten, dass die Vulkanregion in Wirklichkeit sogar noch deutlich größer sein könnte. Denn zum Untergrund unter dem Ross-Eisschelf gibt es bisher kaum Daten.
Sind die Vulkane noch aktiv?
Noch ist nicht klar, ob die neuentdeckte Vulkanregion noch aktiv ist. Die Forscher halten dies aber durchaus für möglich. „Die größtenteils nicht erodierte Form der Vulkankegel deutet darauf hin, dass viele erst im Pleistozän oder später entstanden sind“, so de Vries und seine Kollegen. „Das stützt die Annahme, dass die Riftzone bis heute aktiv sein könnte.“ Sollte sich dies bestätigen, könnte dies erklären, warum der Untergrund unter der Westantarktis so ungewöhnlich warm ist.
Gleichzeitig hätte dies bedeutende Auswirkungen auf Prognosen zur Gletscher- und Eisentwicklung dieser Region. „Subglazialer Vulkanismus kann zu verstärkten Abtauen der Eisunterseite führen“, erklären die Forscher. „Und selbst inaktive oder ruhende Vulkane können den Eisfluss beeinflussen, weil sie den Wärmefluss aus der Tiefe an die Gesteinsoberfläche fördern.“
Weckt die Eisschmelze die Vulkane?
Umgekehrt könnte aber auch das abschmelzende Eis der Westantarktis dazu führen, dass die Vulkane in dieser Region wieder aktiver werden. Denn wenn der Druck durch die Eislast abnimmt, kann diese Dekompression zu einem Wiedererwachen der Feuerberge führen: „Studien in Island haben gezeigt, dass sich unter einer dünner werdenden Eisdecke die Magmaproduktion erhöht“, erklären die Wissenschaftler. „Dies ist eine Reaktion auf die Dekompression des darunterliegenden Erdmantels.“
Angesichts der potenziellen Auswirkungen sei es umso wichtiger, das Vulkangebiet der Westantarktis künftig genauer zu untersuchen und zu überwachen. „Ein besseres Verständnis ihrer vulkanischen Aktivität könnte mehr Licht auf ihren vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Einfluss auf das Eis der Antarktis werden“, sagt Koautor Robert Bingham. (Geological Society Special Publications, 2017; doi: 10.1144/SP461.7)
(University of Edinburgh, 16.08.2017 – NPO)