
Blick unter die Eisdecke entlang des Transantarktischen Gebirges in Richtung antarktische Halbinsel, westlich davon das Westantarktische Grabensystem. © Bedrock Consortium
Um das wahre Ausmaß des antarktischen Vulkanismus aufzudecken, haben die Forscher eine systematische Fahndung durchgeführt. Dafür werteten sie die Daten von Radarsatelliten aus, die die Topografie des antarktischen Untergrunds unter der Eisschicht abbilden. In diesen Daten suchten sie nach verräterischen Bergkegeln, wie sie für Vulkane mit basaltischer Lava typisch sind.
„Eines der größten Vulkangebiete der Erde“
Und tatsächlich: Die Wissenschaftler entdeckten gleich 138 Vulkankegel unter dem Eis der Westantarktis, davon 91 bisher unbekannte. Sie sind zwischen 100 und 3.850 Meter hoch und im Mittel 21 Kilometer breit. „Ihre Form und Größe ähnelt damit stark den Vulkanen, die man auch an anderen Riftzonen weltweit findet“, so die Forscher. Die größten Feuerberge liegen im Marie-Byrd-Land, hier finden sich gleich 29 Vulkane von mehr als 1.000 Metern Höhe.
Die neuentdeckten Vulkane konzentrieren sich genau dort, wo nach bisherigen Erkenntnissen das Riftsystem liegt. In einem Bogen erstreckt sich die neuentdeckte Vulkanregion 3.500 Kilometer lang vom östlichen Rossmeer bis zum Transantarktischen Gebirge. „Damit umfasst die Westantarktische Riftzone eines der größten Vulkangebiete der Erde“, konstatieren de Vries und seine Kollegen. Sie vermuten, dass die Vulkanregion in Wirklichkeit sogar noch deutlich größer sein könnte. Denn zum Untergrund unter dem Ross-Eisschelf gibt es bisher kaum Daten.

Lage des neuentdeckten Vulkangebiets (rot). Es reicht vom Marie-Byrd-Land bis zum Transantarkischen Gebirge. © HG: NASA
Sind die Vulkane noch aktiv?
Noch ist nicht klar, ob die neuentdeckte Vulkanregion noch aktiv ist. Die Forscher halten dies aber durchaus für möglich. „Die größtenteils nicht erodierte Form der Vulkankegel deutet darauf hin, dass viele erst im Pleistozän oder später entstanden sind“, so de Vries und seine Kollegen. „Das stützt die Annahme, dass die Riftzone bis heute aktiv sein könnte.“ Sollte sich dies bestätigen, könnte dies erklären, warum der Untergrund unter der Westantarktis so ungewöhnlich warm ist.
Gleichzeitig hätte dies bedeutende Auswirkungen auf Prognosen zur Gletscher- und Eisentwicklung dieser Region. „Subglazialer Vulkanismus kann zu verstärkten Abtauen der Eisunterseite führen“, erklären die Forscher. „Und selbst inaktive oder ruhende Vulkane können den Eisfluss beeinflussen, weil sie den Wärmefluss aus der Tiefe an die Gesteinsoberfläche fördern.“
Weckt die Eisschmelze die Vulkane?
Umgekehrt könnte aber auch das abschmelzende Eis der Westantarktis dazu führen, dass die Vulkane in dieser Region wieder aktiver werden. Denn wenn der Druck durch die Eislast abnimmt, kann diese Dekompression zu einem Wiedererwachen der Feuerberge führen: „Studien in Island haben gezeigt, dass sich unter einer dünner werdenden Eisdecke die Magmaproduktion erhöht“, erklären die Wissenschaftler. „Dies ist eine Reaktion auf die Dekompression des darunterliegenden Erdmantels.“
Angesichts der potenziellen Auswirkungen sei es umso wichtiger, das Vulkangebiet der Westantarktis künftig genauer zu untersuchen und zu überwachen. „Ein besseres Verständnis ihrer vulkanischen Aktivität könnte mehr Licht auf ihren vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Einfluss auf das Eis der Antarktis werden“, sagt Koautor Robert Bingham. (Geological Society Special Publications, 2017; doi: 10.1144/SP461.7)
(University of Edinburgh, 16.08.2017 – NPO)
16. August 2017