Schallpulse unter dem Deckmantel der Musik
Und so funktioniert es: Für den Spionageangriff reicht es aus, wenn die „CovertBand“ getaufte Programm aufs Handy geladen wird – entweder durch Hacking oder den versehentlichen Klick auf einen Link. Einmal installiert, wird das Programm immer dann aktiv, wenn wir Musik hören. CovertBand sendet – maskiert durch die Musik – regelmäßige Schallpulse im Bereich von 18 bis 20 Kilohertz aus.

Dass dieser Proband Liegestützen macht, erkennt das Programm anhand des Spektrums der reflektierten Schallwellen. © University of Washington
Diese Schallpulse liegen an der Obergrenze des vom Menschen wahrnehmbaren und fallen daher kaum auf, wenn sie unter die Musik gemischt sind. Treffen diese Schallpulse auf ein Objekt im Raum oder unseren Körper, werden sie reflektiert. Über das Handymikrophon fängt die Software diese reflektierten Signale wieder auf und ermittelt daraus, wo sich was im Raum befindet – wie bei einem aktiven Sonar.
Armwedeln und Laufen erkannt
Der Clou dabei: Die Software enthält einen Algorithmus, der gezielt menschliche Bewegungen erkennt und zuordnen kann. In einem Test spielten die Forscher Musik und die CovertBand-Pulse über einen tragbaren Lautsprecher ab. Versuchspersonen im gleichen Raum wedelten unterdes mit den Armen, liefen umher oder machten Liegestützen.
Und tatsächlich: Die Software erkannte ihre Bewegungen noch in einem Abstand von sechs Metern – und dies mit einem Fehlerbereich von nur acht bis 18 Zentimetern. „Unsers Wissens nach ist dies das erste Mal, dass jemand demonstriert hat, dass sich smarte Geräte wie Handys oder Fernseher in aktive Sonargeräte umwandeln lassen – und dies ohne zusätzliche Hardware“, sagt Shyam Gollakota.
So funktioniert das Ausspionieren mittels CovertBand© University of Washington
Sogar durch dünne Wände hindurch
Überraschend ist dabei, wie gut diese Spionage-Methode funktioniert: Im Test konnten die Forscher damit sogar Bewegungen von Probanden hinter einer dünnen Zwischenwand erfassen und erkennen. Zwar sinkt dann die Reichweite auf zwei bis drei Meter, dennoch reicht es aus, um beispielsweise herauszufinden, ob nebenan jemand zuhause ist.
„CovertBand demonstriert damit erstmals, dass eine Überwachung durch Barriere hindurch ohne spezielle Hardware möglich ist“, sagt Alex Takakuwa. „Das ist besorgniserregend, denn wenn mein Nachbar künftig laute Musik spielt, könnte es entweder ganz harmlos sein oder aber ein Akt der Überwachung“, mit der er meine Bewegungen ausspionieren will.“ Einbrecher könnten dies beispielsweise nutzen, um herauszufinden, wann eine Wohnung leer ist.
„Nur wer die Risiken kennt, kann sich schützen“
Zwar kann CovertBand bisher nur wiederholte Bewegungen sicher identifizieren, aber durch die Kombination mit einem lernfähigen Algorithmus könnte es schnell auch andere Bewegungen erkennen lernen, erklären die Forscher.
„Mit unseren Experimenten wollen wir aufzeigen, was technisch möglich ist und die Öffentlichkeit so auf Risiken aufmerksam machen“, sagt Tadayoshi Kohno. „Wenn sich die Menschen einmal dessen bewusst sind, können sie sich vor solchen Gefahren auch besser schützen.“ Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, das Mikrophon des Handys beim Musikhören zu deaktivieren. (Proceedings of the ACM on Interactive, Mobile, Wearable and Ubiquitous Technologies, 2017; doi: 10.1145/3131897)
(University of Washington, 21.08.2017 – NPO)
21. August 2017